München .
Vor einiger Zeit schrieb ich an Herrn von Wangenheim und bat ihn, Sie, Verehrter Freund, von mir zu grüßen, wenn es sich schicke. Dieß bezog sich auf Herrn von W˖[angenheim]’s Verhältniß als Curator, wenn es sich nämlich für ihn schicke, mein Grußbesteller zu seyn. Herr von W˖[angenheim] aber bezog die Worte wie es scheint auf mich und hat mir dadurch wirklich Unrecht gethan. Es ist wahrlich nicht meine Schuld, daß ich Ihnen nicht schon längst selbst geschrieben habe. Aber die Möglichkeit einen Brief, wie der Ihrige würdig zu beantworten, wenn man die Hände voll von Arbeiten hat! Er betrifft die wichtigsten und geistigsten Sachen; und trägt Ihre Gedanken so geistreich vor, daß ich aller Ruhe bedurft hätte, um ihn nach Würden zu erwiedern. Jetzt hat sich mir ein Gedanke aufgedrungen, der verwirklicht mich den langen Aufschub nicht mehr beklagen läßt. Sie wissen vielleicht, Werthester Freund, daß ich eine neue Allgemeine wissenschaftliche Zeitschrift angekündigt habe. Den Klippen eines solchen Unternehmens hoffe ich hiebey durch die Vorsorge zu entgehen, daß ich mich in Ansehung der Erscheinungsart an keine der einschränkenden gewöhnlichen Formen gebunden habe. Unter den Gelehrten, auf deren Mitwirkung ich gerechnet habe und denen ich eine solche Vereinigung zu gegenseitiger Mittheilung erwünscht glaubte, steht Ihr Name in der ersten Linie. Indem ich nun dem Ziele näher gerückt und im Begriff bin, das 1ste Heft wo möglich noch zur messe erscheinen zu lassen, säume ich nicht, Sie bestimmt anmit einzuladen und zur thätigen Theilnahme aufzufordern. In dieser Beziehung unternehme ich Ihnen einen Vorschlag zu thun. Ich wünsche, daß Sie mir erlauben mögen, Ihr Schreiben, das außer seiner nächsten Beziehung auf meine Abh˖[andlung] von der Freyheit die allgemein interessantesten Äußerungen und Anregungen enthält, in das erste Heft jener Zeitschrift einrücken zu dürfen. Ich zweifle nicht, mir durch diese Bekanntmachung den Dank des ganzen wissenschaftlich-denkenden Publikums zu verdienen. Zugleich sind unsre Differenzen der Natur der Gegenstände nach auf die sie sich beziehn, von der Wichtigkeit, daß sie doch früher oder später wieder zur Sprache kommen müßen.
Ich schätze mich glücklich unter der Menge unsittlicher und unedler Widersacher an Ihnen einen so edlen Gegner gefunden zu haben. Wir beyde sind im Stande der Welt das Beyspiel eines mit gegenseitiger Achtung, mit Anstand, Würde und Freundlichkeit geführten literarischen Streites (wenn selbst dieß Wort nicht zu stark ist) zu geben. Schon die Briefform, welche ich auch meiner Antwort geben würde, ist von der gewöhnlichen Form deutscher Polemik so abweichend, daß ich glauben würde, durch diese unsere Erörterung ein neues und wünschenswerthes Beyspiel zu geben. Meine Antwort würde zwar nicht gleich in dem nämlichen Heft, aber doch in einem folgenden erscheinen. Daß ich nirgends das Gepräge der innigen aufrichtigen Achtung, die ich gegen Sie trage, vermissen lassen würde, brauche ich wol nicht zu versichern.
Lassen Sie mich nun bald, werthester Freund, Ihre Entschließung wissen, bey welcher ich Sie bitte, mehr das Interesse der Wissenschaft als meine Bitte in Betracht zu ziehen. Sollten mir nicht denkbare Gründe Ihre Einwilligung zurückhalten, so hoffe ich wenigstens für die Zukunft auf Ihre Mitwirkung rechnen zu können. Die neue Zeitschrift steht Ihnen zu jedem Zwecke zu Gebot. Ich kann es dem trefflichen Herrn von W˖[angenheim] nicht genug danken, daß er Sie durch die Verpflanzung auf die Universität wiederum ganz der Wissenschaft vindicirt hat, der Sie durch Ihre praktische Laufbahn zwar nie ganz entzogen werden konnten aber doch zum Theil entzogen waren.
Ich bitte Sie, mich auch Herrn von W˖[angenheim] zu empfehlen, sowie meinen andren Freunden. Herrn Prof. Conz werde ich demnächst ebenfalls zur Theilnahme an meiner Zeitschrift auffodern.
Leben Sie recht wohl und glücklich, hochgeschätzter Freund; ich bitte, mich auch Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen und in freundschaftlichem Andenken zu behalten
Ihren
aufrichtig ergebensten
Schelling.