Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Was werden Sie von mir denken, Theurester Freund, daß ich so lange gegen Sie schweige, in einem Augenblick wo ich so manche äußere und innere Auffoderung habe, mit Ihnen zu reden? Der Grund dieses Schweigens lag aber vielleicht eben darinn, daß ich das Schreiben als ein sehr ungenügendes Mittel des Redens empfand. Wie oft habe ich mich seitdem nur auf eine kurze Stunde hingewünscht zu Ihnen, von mancherley zu reden, aber besonders von dem lieben Vaterland, das seit diesem nicht nur meine, aller besseren und fühlenderen Menschen Gedanken und Herzen auf sich zieht. Dieses Beyspiel also mußte in Wirtemberg gegeben werden, das sich kürzlich einen Platz in der Geschichte deutscher Staaten, wie in der Art noch kein anderes Land, erworben, und dessen immer zu ahndende und von manchem geahndete Bestimmung nun klar geworden. Alle hiesige Landsleute freuen sich mehr als über alles über die Wirtembergischen Nachrichten; aber die Aufmerksamkeit auch der bedeutendsten Personen haben die dortigen Verhandlungen in hohem Grad erregt. Gleiches soll der Fall in Wien gewesen seyn, nach Versicherung sehr glaubwürdiger Personen. – Was unser Vaterland in diesen Sachen Ihnen insbesondere verdankt, das ist so allgemein erkannt, daß ich nichts darüber zu sagen brauche.

Die neue Welt-Verwirrung hat auch mich wieder in meinen Plänen zurückgehalten; ich könnte die Weltalter nun demnächst erscheinen lassen, aber wer wird jetzt darauf achten? Fast alles, was Jugend, Geist und Muth hat, zieht in den Krieg; und es ist unangenehm mit einem so lang’ herumgetragnen und alle mögliche Geistes Ruhe fodernden Werk in eine so unruhige Zeit hineinzufallen. Wahrscheinlich wird also eine Abh˖[andlung], die als Beylage zu den W˖[elt]A˖[ltern] erscheinen sollte, vor diesen an’s Licht treten; ich meyne die über die samothracischen Mysterien, die ich bis Ende , und zwar in Tübingen (der orientalischen Lettern wegen) gedruckt wünsche. Sie ist zur Vorlesung in einer öffentlichen Sitzung der Akademie bestimmt. – –

Mögen Sie immer gesund und rüstig bleiben; solcher Männer, wie Sie, bedarf die Welt in hohem Grade. Behalten Sie mich in gutem Andenken; auch bitte ich Sie, mich Ihrer Frau Gemalin schönstens zu empfehlen.

Hat der Brief, den ich so frey war, Ihnen einzuschließen den jungen Wiebeking noch erreicht? Wo nicht, so bitte ich Sie, ihn gelegentlich zurückzusenden.

Mit unverbrüchlicher Hochachtung und Freundschaft
Der Ihrige

Schelling