Liebste Schwester!
Schon so lange gehe ich damit um, Dir für Deinen herz- und liebevollen Brief, mit dem Du mich nach meiner Krankheit begrüßt hast, zu danken; allein Du weißt wohl: nicht bloß Kranke auch Genesende sind nicht immer im Stande zu thun was sie wollen. Hätte ich Dir nicht immer selbst schreiben wollen, so wärest Du nicht so lang’ ohne Dank und Antwort von mir geblieben, nun muß ich doch endlich durch eine fremde Hand Dir schreiben, da Schnupfen und Augenweh mir nicht erlauben selbst viel zu schreiben. Wie kann ich Bruder Carl und Dir insbesondere die Beweise von Zärtlichkeit und Theilnahme, Die Ihr mir während der Unfälle dieses gegeben habt, jemals vergelten oder hinlänglich verdanken? Gottlob, endlich ist Friede in unserem Hause, Frau und Kinder wiederum gesund, es fehlt jetzt nur noch an der Witterung, die sie ja endlich auch zum Besseren neigen und mir erlauben wird, zu der Lebensweise gesunder Menschen zurückzukehren. Obwohl sich noch nicht bestimmen läßt, wie bald ich an einer Reise nach Stuttgardt denken darf, so freue ich mich doch unbeschreiblich den lieben Bruder und Dich mit Deinen lieben Kindern zu sehen. Was Du mir von Adolph schreibst, macht mir großes Vergnügen. Laß es Dich nicht anfechten, wenn ihm das Griechische nicht allzu wohl behagen will. An Leuten die gut Griechisch verstehen, leiden wir heut zu Tage keinen Mangel, wohl aber an guten geistlichen Rednern und wahren Predigern, und ein solcher wird er gewiß werden. Zu der Beredsamkeit, die vom Herzen kommt und zum Herzen geht, bedarf es nicht soviel des Griechischen; ich weiß dagegen daß Du Dir die religiöse Bildung seines Gemüths und Geistes eifrig angelegen seyn lässest und auch für die Befestigung seiner Gesundheit sorgest, denn auch diese ist für seinen Beruf schlechterdings nothwendig. Nimm nun, der Umstände halber, mit diesem flüchtigen und kurzen Brief vorlieb.
Meine Frau grüßt Dich und Deine lieben Kinder herzlich; in der Hoffnung Dich bald zu umarmen bin ich mit inniger Zärtlichkeit
Dein
tr˖[euer] Bruder
Fr.
München den .
N.S.
Mich freut, daß es jemand von unsrer Familie gewesen ist, der den guten Onkel in den letzten Tagen noch gepflegt und ihm endlich