Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Noch habe ich Ihnen, mein werthester Freund, für den herrlichen Genuß nicht gedankt, den Sie mir durch Übersendung Ihres Calderones bereitet. Doch so groß dieser war, freute mich noch weit mehr, daß Sie auch bey dieser Gelegenheit wieder meiner gedachten und in der Zeit, wo so Weniges fest ist, mir ein neues Zeichen gaben, daß unsere Freundschaft fortdauert und ich noch einen Platz in Ihrem Andenken behaupte. Über die Meisterhaftigkeit Ihrer Bearbeitung des spanischen Dichters haben Sie die Lobsprüche ganz andrer und weit mehr, als ich, zuläßiger Richter vernommen, daher ich mit den meinigen auf jede Weise zu spät käme. Ich begnüge mich daher den innigen Wunsch auszudrücken, daß Sie nicht müde werden und fortfahren und nicht aufhören, bis auch dieser Proteus ganz in unserer Zunge singt und weissagt.

Was ich Ihnen hier übersende, ist weit kein Ersatz für so göttliche Gaben als die Ihrigen, doch als Merkmal meines Danks nehmen Sie es wohl freundlich an. Sie sehen, ich habe mich Einmal auch in die Gelehrsamkeit geworfen; was muß man in diesem langen Leben nicht alles treiben! Doch ist noch etwas mehr dahinter, es ist ein erster Schritt zur Ausführung eines Plans, den ich Ihnen einst, wenn ich nicht irre, auf der unvergeßlichen zwischen Dresden und Jena vorphantasirt oder vorgefaselt habe, und den Sie mit so viel Heiterkeit aufnahmen. Jetzt ist einigermaßen Ernst daraus geworden, d.h. Etwas davon könnte doch noch wahr werden.

Nun sey’n alle neun Musen mit Ihnen, daß das herrliche Werk von Calderon vorwärts gehe! In diesen Wunsch stimmt auch meine Frau mit ein, die sich Ihnen schönstens empfielt. Grüßen Sie alle unsre Freunde, und wenn einmal die Bäume wieder grünen, setzen Sie Ihren Wanderstab vorwärts, uns hier, und mit uns die herrliche Gebirgs-Natur Baierns, Tyrols und Salzburgs zu besuchen, da möchten manche Leute Ihres Calderon noch erst ganz und vollends lebendig werden. Ich bin und bleibe mit unveränderter Gesinnung
Ihr
treuergebenster

Schelling.