A Madame
Madame Gotter
née Stieler
à
fr˖[ey] Coburg
Nürnberg .
Ich beeile mich liebste Mutter, Ihnen zu melden, daß wir glücklich in Nürnberg angelangt sind. Wir hatten die ergözlichste Reise; ausgenommen gestern, wo jedoch der Regen uns Kühle verschaffte. Wir haben uns in Augsburg 4 Tage aufgehalten und diese sehr vergnügt zugebracht. Es ist uns alle mögliche Ehre in dieser Stadt widerfahren. Pauline hat einem großen Familienfeste in Schäzler’schen Haus beygewohnt, wovon Sie wohl auf andren Wegen die Beschreibung erhalten. Dabey mußte sie die Stelle von Rickchen vertreten; der überselige, von Glück und Wein trunkene Vater, behandelte sie auch als solche. Durch ein (ungewiß ob von Pauline oder dem zu uns geschickten Bedienten veranlaßtes?) Quid pro quo kamen den folgenden Tag auch Langer und ich höchst unerwartet zum Mittagessen. Pauline hat die Reise vortrefflich ausgehalten, ob wir gleich gestern einen Weg von 26 Stunden gemacht. Nur die Abende stellte sich das gewohnte Übel ein. – Ob sie Ihnen, liebe Mutter, heute noch schreiben kann weiß ich zwar nicht; meist greift sie das Schreiben sehr an; sey’n Sie aber fest überzeugt, daß sie sich so gut befindet als möglich ja vielleicht besser als Sie denken. – Von P˖[aulinen]’s gutem Ausseh’n habe ich hoffentlich nicht allein geschrieben, jedermann findet es; noch am letzten Tage war Frau von Martini bey uns, und erzählte, sie und Frau von Wieb[eking] hätten vor einigen Tagen gemeinschaftlich geäußert, Pauline werde alle Tage hübscher. Zudem steht glaube ich das gute Aussehen mit dem Schwangerseyn nicht grad im Widerspruch. Auch jetzt wenn nicht eben das böse Stündlein ist, sieht das gute Kind ganz wohl aus. – Die Ermahnung wegen In-Acht-Nehmen des Halses kommt mir sehr recht; nur fürchte ich schon etwas zu spät; auch weiß ich nicht eben, wie man es in den Umständen anstellen soll ihn zu schonen. Pauline grüßt und küßt Mutter und Schwestern auf’s Zärtlichste. Wir werden wohl bis zum oder hier seyn; aber es ist ungewiß, ob Ihnen P˖[auline] schreiben wird; es gibt hier gar zu viel Sehenswürdiges und ich wünsche nicht, daß sie etwas versäumt. Auch Seebeks findet sie, die seit dem hier wohnen. Ihre Briefe, liebe Mutter, sind gewöhnlich 8 Tage unterwegs, wie P˖[auline] vermuthet, weil sie anstatt Nachmittags erst spät Abends auf die Post kommen also auch erst mit dieser Post abgehen. – Ohne dieß braucht ein Brief nie mehr als 5 Tage.
Ich empfehle mich Ihnen, beste Mutter und bin mit den treuesten Gesinnungen
Ihr
geh˖[orsamster] Sohn
Fr.