Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Liebste Mutter,

Ich kann und will nicht unterlassen, auch ein Paar Worte dem Brief von Paulinen beyzulegen, mit dem Sie dießmal werden vorlieb nehmen müssen, da er unter beständigen häuslichen Unterbrechungen ist geschrieben worden.

Soviel kann ich Ihnen versichern, daß Pauline seit Ihrer Ankunft ganz glücklich ist, ja daß sie eher Mühe zu haben scheint, sich über ihre Freude zu fassen, als das vergangene Leid zu vergessen. Der Hauptgrund liegt wohl darin, daß der Empfang der Freunde, die Annehmlichkeit des Aufenthalts, die ganze Einrichtung ihre bescheidnen Erwartungen weit zu übertreffen schien. Nach den Schilderungen, welche Herr Jacobs und andere Personen von der Münchner Gegend gemacht haben mochten, schien sie einen so reizenden Punkt in diesen Umgebungen nicht zu vermuthen. Auch die Wohnung in der Stadt hatte schon im Vorbeyfahren das Glück, ihr so lustig vorzukommen, daß sie meynte, warum wir denn auf dem Lande wohnten, es wäre ja Schade die angenehme Wohnung im nicht zu genießen! Wie sie aber nach M˖[ariä] Einsiedel kam, fand sie es dann doch schöner da zu seyn und war wirklich fast entzückt darüber zu nennen.

Besonders ist sie auch im Lob der guten Betten, der baire’schen Kost, (welche die Müllerin besorgt, ob wir gleich ein Mädchen zur Bedienung haben), fürnehmlich aber des Baireschen Biers unerschöpflich.

Unsre erste Frage war nach Briefen von Ihnen. Schmerzlich war uns in so fern der erste, als er die so bestimmte Voraussetzung enthielt, daß wir hier in Glück und Frieden schon leben. Schmerzlicher jedoch für mich der zweyte vom , den wir erhielten. Sie haben, liebste Mutter, unsern Zustand in Bamberg recht wohl gefühlt, aber wie war es möglich, sich mit so finstern Gedanken zu quälen? Wenn etwas Schuld hatte an meinem Unfall, so war es meine eigne Unvorsichtigkeit den ersten Abend bey’m Spaziergang nach Buch und den folgenden, beym Rückweg von Marcus, da ich leicht gekleidet den Oberrock vergessen hatte. Zudem grassirte das Übel eben in Bamberg, zur nämlichen Zeit wurde nicht nur der Bediente, sondern noch mehrere Personen im Bamberger Hof davon befallen. Der Unterschied war nur, daß diese früher ernstlich behandelt wurden, und es nicht so weit kam, wie bey mir. –

Hätte Marcus (dessen kleiner Leichtsinn sich übrigens nachher uns auch auf eine in etwas entschuldigende Weise, erklärte) mich des Tages nicht ziehen lassen, sondern gleich in die gehörige Behandlung genommen, so wär das Ganze eine Sache von 2–3 Tagen. Dieser letzte Umstand wird Sie überzeugen, beste Mutter, daß Sie mit Ihren Vermuthungen Sich selbst das größte Unrecht angethan. Überhaupt, will man in solchen Fällen den ersten Ursachen nachspüren, was läßt sich nicht alles unsinn reden? Das Beste ist, daß wir hier sind. Dieses Bewußtseyn, in eignem Hause nun erst ganz ungestört unzertrennlich zusammen zu seyn, verbreitet über uns beyde eine unbeschreibliche unaussprechliche innere Seligkeit. Sie haben ganz die Wirkung meines Unfalls auf uns beyde voraus gesehen, Ihre Gedanken haben meine Erfahrungen begegnet, wie ich Sie Ihnen im letzten Brief geschrieben. Wir waren im eigentlichen Verstande uns wiedergegeben. Das Schrecklichste des Zustandes, war die Trennung, die er zwischen uns in den ersten Tagen, da wir uns allein überlassen waren, hervorbrachte, indem er mir die Sprache nahm. Eine Zeitlang half das Bleystift aus, endlich mußte auch diese Mittheilung aufhören. Gottlob es ist alles vorbey, und die Empfindung unsres Glücks ist viel inniger, als sie ohne diese Störung je geworden wäre. Verzeihen Sie diesen hingeeilten, kaum lesbaren Brief; auch ich bin vielfach unterbrochen und will eben heute, das erstemal, nach der Stadt gehn. Pauline behält sich vor, noch die ganze Woche hier in M˖[ariä] E˖[insiedel] zu bleiben, was ich auch sehr gut finde. Seyn Sie jetzt, geliebteste Mutter, ganz ruhig über uns, fehlt zu unrem Glück etwas, so ist es Ihre und der lieben Schwestern Gegenwart. Wir beklagen die gute Cecile wegen eines fast ähnlichen Unfalls, Julchen habe ich beynah’ im Verdacht sie hat durch ihr oftmaliges Anempfehlen des Hollunder thees in Lichtenfels das ganze Übel mir angewünscht.

Schreiben Sie uns doch bald wieder; und zählen Sie auch von unsrer Seite künftig auf ruhigere Briefe. Lottchen ja nicht von mir zu vergessen; und Tante Frizchen, und alle freundlichen Herzen.
Ihr treuester

Fr S.