Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Liebster Bruder!

Ich hätte Dir auf Deinen vorlezten Brief schon längst geantwortet, wenn nicht früher die Hoffnung, Dich auf die Konfirmation in Nürtingen persönlich zu sehen, mich hingehalten hätte. Da dieses nun nicht der Fall gewesen ist, so säume ich nun nicht, besonders auch, nachdem ich mit Rector Planck in Nürtingen über die Sache gesprochen habe, Dir zu antworten. Planck sagte mir, es würde ihm sehr leid thun, wenn die Idee den Fritz durch das LandExamen gehen zu laßen, aufgegeben würde, indem derselbe, seit davon die Rede gewesen seye, offenbar sich mehr zusammengenommen, und viel mercklichere Fortschritte gemacht habe, als früher. Er fürchtet nun, daß, wenn dieser Sporn für ihn nicht mehr existirte, sein Eifer wieder etwas nachlaßen möchte. Ich fragte ihn auch, ob, da in neuern Zeiten gewöhnlich 80-90 Kompetenten um die Aufnahme in ein Seminar vorhanden sind, und wegen dieser großen Konkurrenz gewöhnlich zwei Drittheile durchfallen, und ebendeßwegen die Lehrer und Schüler im Gantzen sich offenbar mehr Mühe geben, als früher, man mit Sicherheit hoffen könne, daß Fritz unter diejenige gehören werde, welche aufgenommen werden, worauf er mich versicherte, daß er darüber, und besonders wenn Fritz in seinem bisherigen Eifer so fortfahre, durchaus keinen Zweifel habe. Unter diesen Umständen hätte ich doch geglaubt, solltest Du es nicht unterlaßen, für die Aufnahme des Fritz einen Schritt zu thun, oder, wenn Du ihn nicht unmittelbar thun willst, mich dazu zu bevollmächtigen, eine Eingabe in Deinem Namen zu machen, was, wie ich glaube, wohl angehen wird. Vorläufig braucht ja um nichts nachgesucht zu werden, als um die Erlaubniß, das LandExamen mitmachen zu dürfen, wo alsdann namentlich auch der Grund angeführt werden könnte, daß die Sache dem Fritz zum Antrieb im Lernen gereichen würde, wiewohl dieß gar nicht nöthig seyn wird. Wenn es sich alsdann einmal um die definitive Aufnahme handelt, so können schon weitere Schritte gemacht werden. Ich bitte Dich nun nur, Deinen Entschluß baldmöglichst zu faßen, weil die Sache kaum mehr längern Aufschub verträgt.

Lezten habe ich mit Beate und Klärchen der Konfirmation des Paul in Nürtingen beigewohnt, was für uns allerdings mit noch größerer Freude verbunden gewesen seyn würde, wenn wir auch Dich und D˖[eine] liebe Frau daselbst gefunden hätten. Meine Frau wünschte auch sehr, mitgehen zu können, und wir hatten, da es nicht wohl rathsam war, bei ihrer diesesmal etwas beschwerlicheren und schon in den lezten Monaten stehenden Schwangerschaft die Reise in Einem Tage hin und her zu machen, verabredet, den nach Nürtingen zu gehen, und dort zu übernachten, welcher Plan aber wegen eines Katarrhs und Schnupfens unserer Kleinen, welche wir nicht hätten zurücklaßen können, aufgegeben werden mußte. Die Handlung war sehr feierlich und rührend, und Paul schien mir auch davon sehr ergriffen zu seyn. Seine Frage hat er in der Kirche gantz gut beantwortet. Ich mußte sogleich von der Kirche aus hieherzurückkehren, und konnte deßwegen was ich sonst gerne gethan hätte, der Einladung des Herrn Rektors, bei ihm über Mittag zu bleiben, nicht folgen. Ich habe für Paul eine Uhr gekauft, bin aber mit Herrn Rektor darüber übereingekommen, dieselbe ihm nicht sogleich zu geben, sondern ihm nur zu sagen, daß sie bestellt seye, und er dieselbe im Laufe dieses , wenn er gute Zeugniße erhalte, bekommen werde. Der Rektor meinte, in diesem Augenblicke wäre sie noch nicht gut angelegt. Übrigens ist er mit seinem Fleiße und Betragen gegenwärtig gantz zufrieden. Der Rektor hat mir aufs Neue sehr wohl gefallen, sein gantzes Wesen läßt auf etwas Tüchtiges schließen. Ich hätte geglaubt, daß es dem Paul immer noch gut kommen würde, wenn er noch ein Jahr unter der Leitung eines solchen Mannes stünde, und auch für seine Gesundheit und gantze Gemüthsstimmung würde es vielleicht vortheilhaft seyn, wenn er noch ein Jahr als Knabe unter andern Knaben lebte. Er ist, was mir sehr wohl an ihm gefällt, in manchen Sachen noch gar sehr Kind oder vielmehr Knabe, und es würde ihn Aufopferung kosten, wenn er nicht mehr mit Knaben spielen und sich umhertreiben dürfte.

Mit August, von welchem ich übrigens seit nichts gehört habe, scheint es beßer zu gehen. Allem nach ist die Fistel nicht sehr tief gehend.

So weit hatte ich schon vor Tagen geschrieben, wurde aber plözlich abberufen, und war seither in einem solchen Wirbel von Geschäften, daß mir der Brief unbeachtet unter m˖[einen] Papieren liegen blieb. Inzwischen ist die Nachricht gekommen, daß die Schwägerin in Neuenstadt glücklich von einem Knaben entbunden worden ist, und daß es mit Augusts Gesundheit wieder gut geht, und die Fistel durch Unterbindung geheilt ist. - Meine Frau trägt mir noch besonders auf, sie bei Deiner lieben Frau recht sehr zu entschuldigen, daß sie ihr noch nicht geantwortet habe, sie wird es aber mit Nächstem thun. Klärchen läßt ihrer lieben Mamma auch recht sehr dancken für das Überschickte. Sie ist gegenwärtig munter und wohl, und macht uns viele Freude.

Nun leb recht wohl und empfehl uns D˖[einer] lieben Frau bestens.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

K. Sch.

Wir freuen uns sehr darauf, Euch Deinem Versprechen zufolge noch im Laufe des zu sehen. In der zweiten Hälfte des sieht m˖[eine] Frau ihrer Entbindung entgegen, und insofern würde es ihr, um von Eurer Gegenwart mehr profitiren zu können, angenehmer seyn, wenn Ihr noch im Mai oder erst im August oder im September kommen könntet.