Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herr Professor Kapp in Erlangen hat vor mehreren Jahren die Hefte seines Lehrers, des Herrn Prof. Hegel, über Philosophie der Geschichte öffentlich geplündert; neuerlich hat derselbe aus Heften, die dem Unterzeichneten in Vorträgen über Philosophie der Mythologie nachgeschrieben worden, Hauptsätze entnommen als eigne vorzutragen sich erlaubt. Unterzeichneter bedauert wahrhaft, daß Herr Prof. Kapp durch Anwendung dieser leichtesten und wohlfeilsten Art als Erfinder zu erscheinen, aus der großen wissenschaftlichen Gemeinschaft, die, wie jede andere, vor allem auf Rechtlichkeit, Ehrlichkeit, und heiliger Scheu vor fremdem Eigenthum beruht, sich selbst ausgeschlossen und in eine Classe von Scribenten gesezt hat, die, wenn sie ihren Zweck wirklich erreichen könnte, in der Scala der Ehrlosigkeit unter der diebisch genannten Nachdruckerzunft um so viel tiefer stehen würde, als intellectuelles Eigenthum höher wie materielles zu schätzen ist. Das allgemeine Gefühl von Entrüstung über solche schändliche Gedankenräuberey beruht indeß keineswegs bloß auf dem natürlichen Unwillen über eine Verletzung des geistigen Eigenthumsrechts, durch der Preis, welcher wissenschaftlichem Ernst und dem glücklichen Fleiß gebührt, auch wohl dünkelhafter Narrheit und umsonst sich selbst marternder Unfähigkeit zu Theil werden könnte; das Empörendste ist, daß jeder Frevel dieser Art stets zugleich, so viel an ihm ist, ein schönes, wohlerwogenes und durchdachtes Ganze zerstört, aus dem er einzelne Sätze heraus und damit zugleich von ihrer eigentlichen Begründung losreißt. Wundern kann sich zwar eigentlich Niemand, der den Herrn Prof. Kapp kennt, daß es dahin mit ihm gekommen; sein Betragen dient nur die alte Erfahrung zu bestätigen, daß jedes lügnerische Bestreben in der Wissenschaft, jede leere Anmaßung eines zu Leistungen, die ihm versagt sind, sich aufspannenden Unvermögens zuletzt in offenbare Schlechtigkeit endet. Aber mit dem Bewußtseyn solcher Unehrlichkeit wie Herr Prof. Kapp sich in die Gesellschaft von Ehrenmännern dringen, sie öffentlich anreden, als seines Gleichen, oder als die er zu beurtheilen vermöchte, ja vor eben demjenigen, dessen Gedanken er die doppelte Schmach angethan a) sie als seine zu geben, b) sie in der Roheit zu geben, wie man Geraubtes allein wiedergeben kann, mit einem Privatschreiben in der Meinung zu erscheinen, durch hündisches Schönthun und Schweifwedeln die wohl verdienten Fußtritte von sich abwenden zu können, dies übertrifft alles, was einem in dieser Art von literarischer Unverschämtheit vorgekommen. Herr Prof. Kapp mag dabey auf das bekannte Widerstreben des Unterzeichneten gerechnet haben, von Leuten seiner Art Notiz zu nehmen; diese Rechnung hat ihn jedoch dießmal getäuscht; außerdem würde unter den zahlreichen Zuhörern jener Vorträge, zu denen nicht bloß Jünglinge, sondern Männer von hoher wissenschaftlicher Einsicht gehörten, wohl einer sich finden, dessen rechtliches Gefühl, durch solche zu der leidigen, längst anerkannten Stümperey sich gesellende Frechheit empört, ihn veranlaßte, der literarischen Büberey des Herrn Prof. Kapp auch vor dem Publikum die gebührende Züchtigung widerfahren zu lassen.

von Schelling.