München den .
Sie als Freund anzureden erlaubt mir gewissermaßen die zuvorkommende, von meiner Seite durch nichts verdiente Güte, mit der Sie mich bisher durch Übersendung Ihrer Werke (noch kürzlich des Plotinus) beehrten. Längst wünschte ich, durch irgend ein Gegengeschenk – nicht die Ihrigen aufzuwiegen, aber doch meinen Dank mit etwas mehr als bloßen Worten auszudrücken. Äußere Veranlassung hat eine der Arbeiten aus dem Ganzen heraus, das seit Jahren mich beschäftiget, vielleicht immer noch zu früh, mir entrissen. Daß ich in einem Haupt-Punct Ihnen widersprochen, in einigen Nebenpuncten von Ihnen abgewichen bin, konnte mich nicht zurückhalten Ihnen dieselbe zu überschicken; denn theils bin ich mir bewußt, niemals jene Hochachtung gegen Sie, die mir eigen ist, verletzt zu haben, theils überzeugt, daß Sie auch das, worinn ich gegen Sie Recht haben könnte, wenn ich Recht hätte, als Gewinn ansehen würden, da es doch im Ganzen nach dem Ziel hinführt, nach welchem Sie diesen Theil der Wissenschaft richten wollten. Wohl aber könnte ich mich scheuen, Ihnen, dessen Hervorbringungen alle das Gepräge der letzten und genauesten Vollendung tragen, ein Werklein vorzulegen, dessen Mangelhaftigkeit und durch die Nachlässigkeiten des Drucks noch erhöhte Unvollendung ich nur zu wohl empfinde. Dennoch hoffe ich eben von Ihnen die billigste Aufnahme zu erfahren und in Ihren, beyfälligen oder widersprechenden, in beyden Fällen lehrreichen, Bemerkungen reichlichen Ersatz zu finden für manche Unbill, die mir von Anderen drohen mag, in deren gelehrten Haushalt meine Ansichten nicht passen. Oft genug habe ich bey dieser wie bey der größeren Arbeit mich in Ihre oder Sie in meine Nähe gewünscht. Wie viel kürzer war dann mein Weg, vor wie manchem Straucheln konnten Sie den ungeübten schützen!
Inzwischen erhalten Sie mir auch in der Ferne Ihr freundschaftliches Andenken, wie ich Sie bitte, von der reinsten, aufrichtigsten Hochachtung überzeugt zu seyn, mit welcher ich allstets seyn werde
Ihr
ganz ergebenster
Schelling