Jena, den .
Der Gedanke, von Ihnen, mein theurer alter Freund, so ganz und gar vergessen zu werden, ist mir zu unerträglich, als daß ich nicht begierig die Gelegenheit ergreifen sollte, mein Andenken bei Ihnen ein wenig aufzufrischen. Möge denn dazu wenigstens dieser 3te Theil des Calderon dienen, den ich Ihrer freundlichen An- und Aufnahme empfehle; weiß ich gleich nicht, welches Schicksal der zweite, Ihnen zugesandte Theil, sammt dem begleitenden Briefe, gehabt haben mag. Bei der großen Liederlichkeit der süddeutschen Buchhandlungen wäre es gar wohl möglich, daß Sie nichts davon erhalten hätten, was mich um so mehr verdrießen müßte, da alsdann auch mein Dank für Ihre treffliche Abhandlung über die Kabiren nicht bis zu Ihnen gelangt wäre. Lassen Sie mich doch wissen, ob meine Besorgniß gegründet ist, damit ich den etwanigen Verlust ersetzen könne. Um sicherer zu gehen, schicke ich dieses Packet mit der Post.
Mein herzlicher Wunsch, Sie einmal wieder zu sehen, wird leider wohl so bald nicht erfüllt werden, da Sie nicht geneigt scheinen, die sumpfigen Ufer der Isar zu verlassen, und da mich (wenn ich mich einmal mobil machen kann) andere Pflichten gen Norden rufen. Eigentlich war schon dieser zur Reise nach meiner Vaterstadt bestimmt, die ich seit mehr als 20 Jahren nicht gesehen habe. Allein die dritte Auflage des Tasso, die sich nicht länger verschieben läst, wenn man den edeln Nachdruckern nicht ganz und gar das Feld räumen will, erfordert eine neue Revision dieser mangelhaften Arbeit; und so bleibe ich denn für jetzt noch glebae adscriptus. Uebrigens ist es eine widerliche Sache, solch eine Revision. Zu tadeln findet sich genug; aber das Bessermachen würde einem Andern leichter werden, als mir, der ich einmal jene frühere Arbeit nicht aus dem Gedächtnisse vertilgen kann. Hätte ich den Tasso noch nie übersetzt, so sollte er jetzt gewiß besser werden, als er vor geworden ist. Nun aber muß ich mich begnügen, am Einzelnen zu kritteln und zu rütteln, und das giebt immer nur Flickwerk.
Von Ihnen mögte ich so gern einmal wieder etwas vernehmen; aber was in der Welt ist schwieriger, als einen Academicien zum Schreiben zu bringen? Daß Ihnen in Ihrem Hause Wohl bereitet ist, erfahre ich von Zeit zu Zeit mit dem größten Vergnügen durch Mad˖[ame] Koethe. Doch indem sie in Ihrem häuslichen Reiche das goldne Alter herstellen, vergessen Sie nicht, daß die Weltalter noch immer im idealen Theil des MeßCatalogs geblieben sind. Mögten Sie uns doch bald durch die Erscheinung dieses längst und sehnlichst erwarteten Werkes erfreuen!
Leben Sie wohl, theuerster Freund; empfehlen Sie mich Ihrer lieben Pauline auf’s angelegentlichste und erhalten Sie mir ein freundliches Andenken.
Unverändert
Ihr
JD Gries