Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochzuverehrender Herr Direktor
und Geheimer Rath!

Ohne weitere Bevorwortung darf ich wohl auch jezt am ersten Tage des neuen Jahres mich unterstehen, zuversichtvoll mit dem aufrichtigsten Glükwunsche für Euer Hochwohlgeboren theuerstes Wohlergehen zugleich Ihrer ferneren Gewogenheit mich zu empfehlen in jener Gewißheit, die mich beseeligt, daß Ihr Seegen auf allen Wegen meines Lebens und Erkennens mich unveränderlich geleiten wird, und zugleich in jener Offenheit, welche alleine, aber unfehlbar die wahre Verehrung giebt. In dieser sehe ich mich ermuthigt auch zu diesem Briefe in der Hoffnung weil auf Ihre Erkenntniß, darum auf Ihre Verzeihung:

Euer Hochwohlgeboren begreifen genau die Weise, in der zu jener heimathlichen oder unheimathlichen Universität mein gegenwärtiges Verhältniß gestellt oder wankend erscheint, oder Sie gerade begreifen auch, daß ich, wenn es überhaupt eine störende Veränderung in der Festigkeit einer wahrhaften Stellung jemals geben könnte, gerade da am festesten erscheinen würde, wo ich am bedrängtesten erschiene durch die Macht jener Ohnmacht, die nichts Höheres kennt, als das Populäre-Gemeinnüzige. Da ich einmal, wie Hutten als Niemand, so als Outis, obchon dieser bei Aristophanes als geöhrt erscheint, in die Welt trat, so bin ich auch im Begriffe, eben so als Outis, also im Bettlergewande (d.h. titellos) in die Ehe zu treten, einerseits eben so unbekümmert um die hübschen Freier jener Nüzlichkeitstheorie, die den Aeolus Schlauch misverstand, als andererseits ermuthigt, mitten in dem unfruchtbaren Meere, geschirmt durch die ### der Wissenschaft, Wurzel zu schlagen und meine Heimath mir zu gründen .

Was ich begonnen, gedenke ich bis gegen hin vollziehen und in Erlangen, durch Ihre Nähe begeistert, meinem Berufe sodann bestimmter leben. Im Nördlicheren Deutschland geboren, theils am mittleren Rhein, theils näher an Frankreichs Gränze, aber deutsch erzogen, lebt meine Braut gegenwärtig in der Schweiz und wird nun wieder in ihre mutterliche Heimath nach Neustadt an der Haardt zurükehren. Sie ist eine Schwester eines meiner akademischen, besonders mit Naturwissenschaft sich beschäftigenden Freunde, Emilia Schuster. Und ich wage es hiemit dieselbe der Gewogenheit d.h. eben dem Seegen Ihres hochgefeierten Hauses zuversichtsvoll im voraus obschon noch als Unbekannte zu empfehlen. Euer Hochwohlgeboren werden mit Ihrer hochverehrten Gattin gewiß die Bitte gütigst, wie Sie pflegen, entschuldigen und mich kennend auch im voraus meine Braut erkennen. Es ist dieß das Erste, was ich hiemit, ohne je zudringlich werden zu wollen, in Dehmuth bitte und wohl das Einzige, was ich von Erlangen nun hoffe, aber auch das Größte.

Um Brod habe ich früher in Erl˖[angen] gebeten und man bot mir Steine, um Fische und man bot mir Schlangen und suchte mit süßer Freundschaft Milch mich zu vergiften, aber ich will die Steine in Brod verwandeln und die Schlagen in goldene Reife, ohne jene modernen Sprecher der Popularität und Gemeinnüzigkeit einer andern Antwort zu würdigen als einer schweigenden oder einer solchen, die alleine sprechen soll durch mein Leben und Erkennen, welches sich nicht irren läßt durch jene Vornehmthuerei unedler Gemeinheit, die unfähig zu erahnen, noch unfähiger zu begreifen das Recht jener Ironie, in welcher ich jene deutsche Schrift absichtlich als eine Schlake aus der Werkstädte und Feueresse meines frühern Lebens entlaßen und auf die breite Heerstraße des berühmten Publikums als einen Stein des Anstoßes ausgesezt, alles, was sie konnte, den Schlendrian der Gewohnheit mit fruchtlosem Täuschen mir in den Weg legen wollte, und die allstets, wenn sie eben dem Staat wesentlich angehörte, den Fluch auf denselben laden würde, aber eben darin in ihrer Weise vollkommen Recht hat, Anstoß zu nehmen an allem, was auch nur einiger Maaßen an Philosophie anstreift und über die Gemeinheit des ganz Gemeinen sich erhebt.

Schließlich wiederhole ich nochmals jene Bitte zugleich mit der Bitte um Ihre gütige Verzeihung dieser Bitte.

In ausgezeichneter Verehrung habe ich die Ehre zu ersterben
Euer Hochwohlgeboren
treu ergebenster

Christian Kapp. D.