An
Fräulein Julie Gotter
in
fr˖[ey] bishin
Freytag .
Liebste Schwägerin,
Pauline ersucht mich, für sie zu schreiben, weil sie von der Abend nach Nürnberg gemachten Partie, von welcher wir erst Abend zurückgekommen sind, noch sehr ermüdet ist. Sie hat damit übrigens die beste Probe ihrer wiederkehrenden Kräfte abgelegt, indem sie die eine Hälfte des Vormittags dazu anwendete, dem König in allen den heißen Straßen nachzugehen durch welche Er auf seiner Runde durch die Stadt fuhr, die andre so wie einen großen Theil des Nachmittags, um nach ihrer Gewohnheit alle möglichen Buden und Kaufläden an allen Enden der Stadt zu besuchen. Es war uns, wie Sie leicht denken können, große Freude, den geliebten König so kräftig, gesund, heiter und glücklich in seiner Herrlichkeit zu seh’n. Ich habe die gnädigste Aufnahme bey Ihm gefunden, und war sogar, nachdem Er am Abend seiner sehr späten Ankunft nur allgemeine Audienz ertheilt hatte, welcher ich nicht beywohnte, am folgenden morgen unter den vielen, auf den Gängen des rothen Rosses Harrenden, nächst dem General-Lieutenant de la Motte, der einzige, dem er Audienz ertheilte. Freylich war meinen nach verschiednen Seiten gezognen Empfindungen hier ein doppelt schwerer Streit bereitet, da der König Selbst mit mir sprach, wovon? werden Sie leicht errathen; aber auch hier erwies er sich königlich, indem er mich zweymal versicherte: Nur wenn meine Gesundheit im Spiel sey, soll nicht davon die Rede seyn. Noch ist von meiner Seite alles ungewiß, troz der glänzenden von andern Seiten im allgemeinen gescheh’ne Hoffnungen – darum bitte ich Sie, dieß bloß als für Sie geschrieben zu betrachten. Um 8 Uhr schon fuhr der König aus, die verschiednen neuen Bauten, Anstalten, Kunstwerke pp in Augenschein zu nehmen: überall wie bey Seiner Abreise um 10 Uhr Morgens begleitete ihn unermeßlicher Jubel einer ungeheuren Volksmenge. Nürnberg war doppelt schön in dieser festlichen Bewegung, die alten Häuser und Straßen schienen erst lebendig zu werden und Bedeutung dadurch zu erhalten. Finsterer hatte alles aufgeboten, Sein Haus aufs Schönste zu schmücken, alle Wände waren grün und von den herrlichsten Gewächsen bedeckt, vor den Kön˖[iglichen] Zimmern hohe blühende Orangenbäume, daß ich nicht weiß, wie besonders die Königin geschlafen haben mag. Um Mittag kamen, Harz, Martin und Lichtenthaler nach, mit denen wir auch noch uns unterhielten, beyde von den zwey letzten nicht wenig bestürmt. Es fehlte nichts, als daß Sie das Alles mit uns angeseh’n hätten. Ihre Theilnahme an allem Bayer’schen wird Sie lebhaft in dieses ganze bewegte Wesen hinein versetzen.
Die Kinder sind wohl, und grüßen zärtlichst. Unsre herzl[ich]sten Grüße an die liebe Tante Cäcilie. Wegen P˖[auline]’s Gesundheit können Sie ganz ruhig seyn. Leben Sie recht wohl.
Ihr treuerlicher Schw˖[ager]
Sch