Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwohlgebohren

Herrn Direktor von Schelling

in

Erlangen.

gantz frei

Liebster Bruder!

Ich hatte mir schon seit 8 Tagen täglich vorgenommen, Dir einige Linien zu schreiben, und Dich um die Erlaubniß zu bitten, Deine beide Knaben auf die bevorstehende hieherkommen laßen zu dürfen, wurde aber immer wieder verhindert. Nun wird mein Brief fast zu spät kommen, indem bis nächsten die Vakanz angeht, welche übrigens nur dauert. Da alle übrigen Kostgänger des Herrn Rektors über diese Zeit nach Haus gehen, so würde es den beiden doch zu weh thun, wenn sie allein zurückbleiben müßten, und ich hoffe daher, Du werdest es nicht übelnehmen, daß wir unter Voraussetzung Deiner Einwilligung, und weil ich Dir schon seit 8 Tagen immer schreiben wollte, die Knaben eingeladen haben. Ich werde dafür sorgen, daß sie diese Zeit über nicht müßig gehen, und Ihnen täglich Aufgaben machen. Klärchen ist gesund und wohl, und fährt fort, sehr brav zu lernen. Nächstens wird sie mit einem Briefe an Ihre liebe Mamma auftreten, und ich hoffe mit einiger Zeit werde durch ihre Vermittlung die Korrespondenz zwischen uns wieder lebhafter werden.

Daß die Frau des D. Cleß vor ungefähr 4 Wochen am Scharlachfieber gestorben ist, wirst Du vielleicht schon gehört haben. Sie hat es von ihren Kindern geerbt und es warf sich ihr gleich auf den Kopf.

Von der schauerlichen Überschwemmung, von welcher unser Land nach einem 24stündigen Regen heimgesucht worden ist, wirst Du in den öffentlichen Blättern gelesen haben. In Kannstadt floß der Neckar über die Brücke weg, in Besigheim stieg das Waßer so, daß es dem Posthalter in den eine Treppe hoch befindlichen Zimmern bis an die obere Decke des Zimmers gieng. Selbst die kleinsten Bäche in unserem gantzen Lande wurden zu den größten Strömen, und namentlich hat der Nesenbach hier sein Ufer so übertreten, daß er durch die Hauptstädterstraße wie ein großer Strom lief, alle Keller jener Gegend anfüllte, die Häuser beschädigte, das Pflaster aufwühlte. Die Brücken zwischen hier und Heilbronn sind entweder fast alle mitgenommen worden, oder so beschädigt, daß man noch bis jezt nicht nach Heilbronn auf dem gewöhnlichen Wege fahren kann. In Laufen allein ### sind 60 Häuser vom Waßer entweder gantz ###, oder stürtzten sie hintennach zusammen, und so ist es in den am Neckar liegenden Dörfern noch ärger. Die Enz hat aber noch weit größere Verheerungen angeri[c]htet. Bei der Brücke in Bietigheim allein hatten sich 4.000 Klafter Holz angeschwemmt, indem alle an der Enz liegende Holzgärten vom Waßer geleert worden waren. Der angerichtete Schaden wird auf viele Millionen Gulden berechnet.

Sonst weiß ich Dir nichts zu schreiben, als daß wir alle wohl und gesund sind, und Gleiches von Euch zu hören hoffen.

Leb recht wohl, empf[eh]l uns Deiner lieben Frau bestens!
Dein
tr˖[euer] Bruder

K. Sch.