Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An Herr Professor Schelling

in

München

fr[ei] Leipzig

fr[ei] Nürnberg

Guter Schelling Sie lassen mich durch Wiedemann auffordern Ihnen zu schreiben. Wissen Sie auch was Sie thun, zu was Sie mich auffordren. Kann ich Ihnen etwas schreiben, was Ihnen erfreulich ist was Sie aufheitert Ihnen Trost bringt? W˖[iedemann] schrieb Ihnen das mein Bruder in Harburg geferlich krank an der Ruhr lag, abermals diese verheerende diese Unglück bringenden Krankheit für uns sie war es eben so dies mal wieder. Die Erholung war nichts ganzes es kamen Rückfälle genzliche Abspannung mit Bewustsein, und Vorgefüll des nahen Todes. Für einen Arzt noch schreckhafter, nur ist ja wohl ein Nervenfieber hin zu gekommen, ich denke mir, die Berichte sind so wortkarg, sagen so gar nichts als das schrekliche Wort Todt. Daß die Fantasie einen weitleuftigen Spielraum behält, am in der Nacht auf den endete er! Denken Sie sich das ganze der schreklichen Nachricht. Er der Vater von 6 unerzognen Kindren die arme fast immer kranke Mutter, alle diese eben auch von der schrecklichen Krankheit erstanden, ein holder Knabe schlaft bei seinen Vater, wohl ihm, ich betraure nicht den Todten, aber die verlaßnen Waisen, den sterbenden als Vater welche Gefühle mußten seine Brust zusammen pressen, da er sie nicht aufnehmen konnte; wir wollen thun was wir können, wir haben sogleich unsre Wahl auf den eltesten Knaben geworfen, er soll unser sein. er soll meinen guten Wiedeman den Verlust des erstgebornen ersetzen, ich hofe nicht das die arme Mutter uns ihm vorendhalten will ich wüste nicht warum, und weiß ja nicht wie sie mit den übrigen Kindren noch durch will. Ich habe an den Marburger geschrieben ihm zu Brüderlicher Hülfe aufgefordert. Ach Schelling lebte Caroline noch wie gern würde sie eines der lieben Mädchen ihr eigen nennen, aber so wenn sie auch ein Kind nehmen wolte wird die arme Mutter ihr Kind so gleich einen fremden Manne geben, in der Endfernung wo ihre Arme es nicht abreichen können –. Noch weiß ich nichts über die nähern Umstände ich denke und weiß es sind keine Schulden da aber ein Haus von geringer Bedeutung aber groß für die Familie ob ganz ohne Lasten weiß ich nicht, ist doch nicht hinreichend eine kranke Frau mit sechs Kindren zu erhalten. Dies Unglück mußte noch kommen. so zerreißen alle Bande so stehe ich bald allein von der Familie, und wer weiß ob nicht auch ich bald da bin wo sie alle sind – Wie würde die arme Caroline dieser Verlust gedrückt haben, sie ist voraus geeilt, eben sind es daß sie starb. Kaum sind meine Augen troken und schon fließen neue Thränen. ein Verlust holt den andren. Wir waren noch so froh in Harburg die drey Wochen vergingen mir wie drey Tage die gute Schwägerin die kaum von Todt erstanden war sollte nur zur völligen erholung das Seebad brauchen, ich hatten den Wagen nach Hamburg gesendet erwartete sie den einen Abend den andren kam der lehre Wagen mit der schreklichen Nachricht daß mein Bruder krank sei, ja da sagte es mir gleich mein unheimliches Gefühl er kömt nicht durch, so hat er gelegen, so haben wir gehoft gefürchtet bis am Ende es doch um nichts als der Todt war –

Wiedemann hat einen Brief von Ihnen erhalten, ja ich schrieb es Ihnen ja schon lassen Sie bald etwas von sich hören; glauben Sie nur Ihre Freundschaft ist mir ein köstlicher Schatz – Sein Sie glüklich

Louise Wiedemann