Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochwohlgebohrner
Hochzuverehrender Herr und Freund!

Vor einiger Zeit ließ ich Ihnen durch Herrn Mahler Schlesinger ein Blättchen überreichen. Heute will ich Ihnen melden, daß ich endlich im Stande bin, Ihnen das Ihnen zugedachte kleine ἀντίδωρον nächstens zu übersenden. Vielleicht haben Sie von Leipzig aus durch meinen Verleger schon die Commentatt. Herodott. I empfangen. Ich habe Anweisung dazu gegeben. Von hieraus werden Sie nun in etwa 14 Tagen den umgearbeiteten ersten Band der Symbolik und dazu ein Bilderheft erhalten. Ich werde Gelegenheit haben, Ihnen das Paketchen über Ulm zuzusenden. Nehmen Sie diese meine geringen Gegengeschenke freundlich auf. Ihnen gehören Sie in besonderm Sinne an. Denn von Ihnen habe ich Viel gelernt. Enthalten Sie mir nun Ihr Urtheil nicht vor, besonders was Sie über meine jetzige Darstellung der Aegyptischen Religion in beiden Büchern sagen. Ich möchte gar zu gerne mit Ihnen darüber im Einverständniß kommen. Mein Briefwechsel mit Hermann wird und muß Ihnen als ein hors d’oeuvre vorkommen. Die sonstige Virtuosität dieses Gelehrten und seines Charakters offene Biederkeit und Wahrheitsliebe konnten mich nur zu diesen Verhandlungen hinlocken. Jezt, nachdem ich mich überzeuge, daß er für gewisse Seiten des Alterthums verschlossen ist (so wie ich gegen andere Seiten derselben Wissenschaft verschlossen bin) werde ich keine Briefe der Art weiter schreiben, sondern bei der Fortsetzung der 2ten Ausgabe meiner Mythologie hier und da einige Blicke auf seine neuen Sätze werfen.

Gegen hoffe ich, will’s Gott, Sie mit einem Bande von Schriften des Proclus zu beschenken – eine Vorarbeit meiner Plotinischen Edition. Hiebei wünsche ich mir nun niemand mehr als Leser zu gewinnen – denn Sie. Von den gewöhnlichen Philologen darf ich bei solchen Unternehmungen nur Lauigkeit erwarten – aber Forscher und Geister wie Sie sind müssen mich in so mühsamen Arbeiten stärken und erquicken.

Es wird vermuthlich bald über Dresden einer meiner jungen Freunde nach München kommen Herr Doctor Ullmann aus der Pfalz. Sie erweisen mir und ihm eine große Güte, wenn Sie ihm einige Ihrer Stunden während seines Dortseyns gönnen wollen. Es ist ein junger Mann, der sich der Patristik und Kirchlichen Alterthümern gewidmet hat, und mit einem liebenswürdigen Charakter schönen Sinn und selbst Talente für Kunst verbindet. Wie sehr würde es mich freuen, wenn er mir eine schriftliche Versicherung Ihres fortdauernden Wohlseyns und einige Nachrichten von Ihren wissenschaftlichen Arbeiten – und Antwort auf die Frage: wann wir Ihre Weltalter werden lesen können, mitbrächte.

Erhalten Sie mir Ihr freundschaftliches Andenken, so wie ich mit bekannter Verehrung
beharre
Ihr
ergebenster

Fr. Creuzer.

N.S.

Sollte sich, wider mein Erwarten, die Ankunft der Commentt. Herodott. I bei Ihnen verspäten, so werden Sie mich verbinden, wenn Sie mich durch eine Zeile davon unterrichten wollen.