Endlich gelange ich dazu, Ihnen, verehrter Freund, wieder zu schreiben, Ihnen zunächst für den mir sehr erfreulichen Brief vom , dann für das angenehme Geschenk Ihres Herrn Bruders zu danken, das Sie an mich befördert haben. Ich wünsche, dieses mir sehr werthe Zeichen seines Andenkens einigermaßen zu erwiedern und bitte Sie, von den 2 Exemp˖[laren] des Wagner’schen Berichts über die äginetischen Bildwerke eines für sich anzunehmen, das andre an Ihren Herrn Bruder zu befördern. Ich wünschte wohl, diesem auch 1 Ex˖[emplar] meiner Abh˖[andlung] über die samothracischen Gottheiten zubringen zu können, denn ein früher, durch Gelegenheit abgeschicktes scheint er so wenig als den begleitenden Brief erhalten zu haben. Denn seit dem Ende von höre und sehe ich nichts von ihm, als was die öffentlichen Blätter melden. Es würde mich ungemein freuen, wenn Sie mich mit ihm wieder in Verbindung setzen und vorerst angeben wollten, wo ein Brief ihn jetzt findet. Der der Frau von Stael mußte jeden betrüben, der den Geist und das durchaus wohlwollende Gemüth dieser Frau näher gekannt; aber in Bezug auf Ihren Herrn Bruder macht er doch wohl eine wünschenswerthe und von allen seinen Freunden längst gehoffte Veränderung. Endlich wird er doch sich ganz wieder dem deutschen Vaterlande zuwenden. Im verfloßnen hörte ich durch Steffens, der mich von Carlsbad aus besuchte, es sey’n ihm Anträge nach Berlin gemacht; ich wünsche, daß er in Süddeutschland bleibe.
Wie ich höre, ist von Ihnen eine Zeitschrift: Concordia angekündigt; ob sie bloß die politische oder auch die wissenschaftliche und religiöse Eintracht zum Zweck hat weiß ich nicht. Auf jeden Fall wünsche ich derselben das beste Gedeihen.
Ihr Antheil an meinen, seit geraumer Zeit seltnen und für das Große und Ganze nicht bedeutenden Arbeiten, erfreuet mich und dienet mir zur Aufrichtung in der fast allgemeinen – wissenschaftlichen Oede. Sie fragen mich nach den Weltaltern. Fast sollte ich, so oft und von so manchen Seiten gefragt, nicht mehr antworten. Doch ist es jetzt ernstlicher Entschluß, dieselben endlich herauszugeben.
So zurückgezogen ich zu leben suche, und so viele Muße mir auch meine hiesigen Stellen übrig lassen, kann ich der geist- und zeit-zersplitternden Einwirkung einer Hauptstadt doch nicht völlig entgehen, auch empfinde ich sehr den Mangel einer vielseitigern geistigen Anregung. Doch ist dieß alles nicht die Hauptursache, welche mich an der rascheren Vollendung hinderte, sondern der weit angelegte Plan, mit dem ich ganz zu Ende seyn, den ich in allen Theilen durchdacht haben wollte, eh’ ich mich mit dem Einzelnen hervorrückte, und die dadurch nöthig gewordenen vielen Nebenuntersuchungen; sodann der Vorsatz, nicht bloß den Hauptweg zum wohlbewußten Ziele zu wandeln, sondern auch alle Seitenwege zu versuchen, um gleichsam ein Experiment im Großen zu machen. Nun meyne ich endlich mir selbst genuggethan zu haben, und werde keine Zeit verlieren, wenigstens die erste und Hauptgrundlage zu geben. Denn die Arbeit an diesem Werk hat mich gleichsam von der Welt abgeschnitten und von jeder freundlichen und feindlichen Berührung mit anderen abgehalten. In demselben hoffe ich mir eine Grundlage geschaffen zu haben, auf die sich etwas bauen läßt. Männer Ihres Geistes sind es vorzüglich, auf die ich dabey gerechnet, und so sey denn diese Arbeit Ihnen zum voraus empfohlen – zu wohlwollender Theilnahme und zugleich zur feurigsten Prüfung. Denn dieses wenigstens wird man dem Werk ansehen, daß es auf dem Punct steht, wo, weil eigentlich um das Leben sich handelt, die strengste und ernstlichste Prüfung das Wünschenwertheste ist.
Die Geschichte der alten Religionen und ihr Zusammenhang unter sich ist gleichsam ein nothwendiges Corollarium dieser ersten Arbeit; ich fühle wohl, daß, was ich in Ansehung der Kabiren versucht habe, noch einseitig ist oder doch erscheinen muß, weil ich den, natürlich auch das Indische und Ägyptische begreifenden, Zusammenhang, in dieser Schrift nicht geben konnte noch wollte. Gewiß sind diese verschiednen religiösen Systeme nur die Bruchstücke eines großen, bis in den Himmel erhobenen, Gebäudes, das mit seinen Trümmern alle Länder bedeckte, wovon jedes Volk und jede Secte Etwas, keine das Ganze hatte, so weit nämlich unser geschichtliches Wissen reicht. In diesem Gedanken zähle ich Sie als Hauptvorgänger, und rechne daher um so mehr auf eine größere Einstimmigkeit auch im Einzelnen.
Von der Anspielung auf Babel ist wohl der natürlichste Übergang zu Ihrer Frage nach dem Grad und der Art meiner Theilnahme an den politischen Entwicklungen unsers Vaterlands. Doch davon muß jedem, der ein Herz hat, dieß Herz so voll seyn, daß es in einem Briefe wenigstens sich nicht ausschütten läßt. Nur soviel, daß mir das ganze Reden und Treiben von Verfassung, da wo es am lebhaftesten getrieben wird, als leeres Gaukelspiel, und diejenige Regierungen noch die besten scheinen, welche ihre Völker wenigstens nicht damit zu täuschen suchen. Wirtemberg allein konnte darinn eine Ausnahme machen.
Wenn mein Geist der Bande, die er bisher, gleichsam schwanger, getragen, entlediget ist: vielleicht daß ich mich auch einmal aufgefodert fühle, darüber frey und offen zu unsrem Volke zu reden. – Inzwischen wird, was besonders von Ihnen herkommt und diese Materie betrifft, stets bey mir die regeste Theilnahme finden.
Ich empfehle mich Ihrem geneigten Andenken und bitte Sie von der wahren Verehrung und Freundschaft überzeugt zu seyn, womit Ich stets bleiben werde
Ihr
ergebenster
Schelling.