München .
Tausend Dank, liebste Schwägerin, daß Sie durch Ihren gütigen Brief mir die Entschuldigung erleichtern, die mir schon lange genug auf der Seele lag. Erlauben Sie nun, daß ich zuerst berichte, wie es mit dem Auftrag von Wiedemann gegangen, und sey’n Sie dann meine Fürsprecherin bey ihm. Seinen Brief an unsern König übergab ich damals gleich unsrem Geheimen Rath von Ringel, der alle Privat-Geschäfte des Königs besorgt und dessen volles Vertrauen hat. Er versprach, sogleich den Brief an den König zu befördern, der damals abwesend war, und ich zweifelte indeß nicht, daß Wiedemann Antwort erhalten, bis vor ich zufällig Herrn von Ringel deßhalb fragte und nun erst inne wurde, daß unter so vielen andern Geschäften, vielleicht auch weil der König eben verreist war, die ganze Sache liegen geblieben war. Dieß hätte ich nun freylich auf der Stelle schreiben sollen, aber außer jener allgemeinen Verdrossenheit zum Briefschreiben, die Sie, liebe Louise, für eine allgemeine Eigenschaft der Gelehrten erklären, kamen noch eine Menge Arbeiten verschiedner Art, die mich theils nöthigten theils verleiteten, diesen Brief von Posttag zu Posttag aufzuschieben. Bitten Sie nun erstens bey Wiedemann für mich um Nachsicht wegen dieser (ich kann es selbst nicht läugnen) höchst nachlässigen Betreibung seines Auftrags, sodann ersuchen Sie ihn, mir einen zweyten Brief an den König anzuvertrauen, den ich dann gewiß so besorgen werde, daß die Antwort nicht ausbleibt; nur soll er ihn bald schicken, weil unser König im gewöhnlich in ein Bad reist. Mit alle diesem, ich fühle es wohl, ist nicht gut gemacht noch entschuldigt, daß ich so werthe und nahe Freunde so lange Zeit ohne alle Nachricht, ohne die geringste Bezeugung meines Antheils an ihrem Ergehen und Befinden gelassen habe. Sollte ich Ihnen, liebe Louise, dieß einigermaßen erklären, so müßte ich Ihnen den ganzen Stand meiner Arbeiten, welche fast den ganzen Menschen in Anspruch nehmen, im Verhältniß zu meiner hiesigen vielen Zerstreuung ausgesetzten und bey weitem weniger als sonst ununterbrochne Muße verstattenden Lage auseinandersetzen. Wenn sich dieses nun auch nicht, wie ich hoffe, einmal ändern sollte, so glauben Sie mir fest, liebste Schwägerin, daß ich mich nicht verändert habe, daß mein Gefühl für Sie, meine Anhänglichkeit an Sie und die Ihrigen nie aufhören kann, wie auch Sie mich zu meiner größten Freude versichern, daß ich in Ihrem Andenken stets meinen Platz behaupten werde. Was die Briefe von Carolinen betrifft, so schmerzt es mich, aber ich kann für den Augenblick nicht anders, als sie Ihnen versagen. Es ist dieser Briefschaften eine solche Menge, und sie befinden sich, wie eine oberflächliche Untersuchung mir schon gezeigt hat, in solcher Unordnung, daß ich wenigstens 14 Tage brauchen würde, die von ihnen verlangten auszusuchen; dabey wär’ es nöthig, fast alle mehr oder weniger zu lesen. Liebste, beste Louise, dazu habe ich schlechterdings die Zeit nicht, auch könnte es ohne mannigfaltige Gemüthsbewegung nicht abgehen, der ich mich in diesem Augenblick von Arbeiten, die wie gesagt, meinen ganzen Geist und mein ganzes Gemüth fodern nicht aussetzen darf. Es wird die Zeit kommen, da ich dieses Geschäft unternehmen kann, und ich werde keinen Augenblick anstehn, die an Sie gerichtete Briefe Ihnen zu übersenden, vorausgesetzt daß Sie (was sich ohnedieß versteht) alle Fürsorge nehmen, daß diese Briefe niemals in andre Hände kommen können, denn darüber habe ich einen letzten, allgemeinen Auftrag der lieben, herrlichen Seele, den ich gewissenhaft beobachten will. Fassen Sie Sich also deßhalb in Geduld, da die Erfüllung Ihres Wunsches in diesem Augenblick eine wahre Unmöglichkeit ist. – – Dank Ihnen auch für die im letzten Brief gegebenen Nachrichten von Ihren lieben Kindern. An