Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Madame Gotter

née Stieler

à

Gotha

fr[an]co˖

Es ist heute der neunte Tag und Pauline befindet sich wie sie soll; das Fieber ist beynah verschwunden, das Milchgeschäft so gut wie ganz abgethan; von nun an tritt allmälig wieder stärkende Diät ein, und die Kräfte werden somit auch wiederkommen, um so mehr da die Entkräftung verhältnißmäßig gar nicht groß ist. Mehr als die Mutter macht noch der Kleine zu thun, dem sein Getränk, wie es scheint, viele Bauchkummer verursacht; man hilft so gut als möglich und tröstet sich mit seiner gesunden Natur; die beste Hoffnung setzen wir indeß auf die vom Land verschriebene Amme.

So haben wir also, liebste Mutter, unsern dießmaligen zugebracht, in recht fröhlich-dankbarem Gefühl, daß uns ein solches Kind geboren und die Mutter so glücklich erhalten worden. Die gute Vorsehung, die bisher so sichtlich über uns gewaltet, wird uns auch ferner nicht verlassen.

Bescherungen haben dießmal nicht so wie stattgefunden. Mittag bescherte Pauline, welche die Direction vom Bett aus führte, der Mutter eine schöne Haube zur Taufe, 1 Paar warme Handschuhe, 1 Allmanach und einiges andre; ich der Köhler eine Brieftasche mit Schreibkalender; Paulinen einen kleinen Merinos-Schaal und 1 Collier; Pauline mir den Knaben mit den unten abgeschriebnen Versen. (Schon vorher hatte ich eine neue Tabakdose erhalten). Die Verse, so wenig Mühe sie ihr gekostet haben mögen, hätte sie doch nicht machen sollen; besonders da sie im Kopf gemacht und dictirt werden mußten. Dann verehrte die Mutter Paulinen eine sehr geschmackvolle Silber-Klamme, 1 großen Wachsstock, mir ein schwarzes Halstuch, – das Beste bey dem allen habe doch ich bekommen.

Viel Zeit zum Schreiben bleibt mir nicht; es ist genug, liebste Mutter, wenn dieser Brief Sie über P[aulinen]s˖ Befinden und unsern Zustand beruhigt.

Gott erhalte Sie gesund, und gebe Ihnen allen die vergnüglichsten Feyertage und heitern Abschied von dem verhängnißvollen, aber an seinem Ende doch für uns alle erfreulichen Jahr .
Ihr
treugeh˖[orsamster] Sohn

Von P˖[auline]

Was ich neun Monden gehegt und unter dem Herzen getragen
Leg’ ich geliebtester Freund nun an das deinige dir.
Freut dich das liebliche Kind und siehst du voll Wonn’ in das Aug ihm,
O so gedenke mit Lust stets auch der Mutter dabey