München .
Mit Freuden habe ich Sie, werthester Perthes, nach geraumer Zeit als Freund gefunden: solche Erfahrungen sind die wohlthätigsten in solcher Zeit.
Die von mir angekündigte Zeitschrift wird in der freyesten Form erscheinen, dergestalt daß ein Band von 36 Bogen zumal, oder in 2, 4, ja 5 Heften erscheinen kann, wie es die Umstände mit sich bringen; auch in Ansehung der Zeit ganz ungebunden.
Herzlichen Dank für die übrigen Anweisungen. Es würde mir besonders viel werth seyn, wenn Sie mich mit dem Staatsrath Niebuhr in Verbindung setzen könnten. Historie ist ein Hauptabsehen bey dieser Zeitschrift. Auch Herr Schuhmacher in Altona wäre mir ein erwünschter Bekannter und Mitarbeiter. Über den Geist und Richtung des Ganzen werden Sie zwar nicht gleich aus den ersten Heften aber doch vielleicht aus den ersten Bänden schließen können. Den Brief an Herrn Schrag besorge ich ungesäumt. Ihrem Wunsche gemäß habe ich heute 1 Ex˖[emplar] meiner Schrift d˖[urch] den Postwagen abgehn lassen. Ich begreife ohngefähr, wie Sie den Glauben an das Innre und Moralische des Mannes noch festhalten können. Hätten Sie ihn hier die beobachtet, vielleicht würden Sie dann meine Ansicht wenigstens begreifen. – Was die Moralität seiner literarischen Ausfälle auf mich betrifft, so gebe ich im Allgemeinen die Möglichkeit zu, daß er nur sich irrt; aber die Art des Invects erlaubt, sobald man sie nicht auf Mangel an Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit bezieht, nur noch ihn als inbecill zu betrachten. – Überzeugen Sie sich, indem Sie die meinem Buch vorausgeschickten Species facti lesen. Sein Benehmen gegen Claudius, wenn es auch in wirklicher Liebe zu diesem besteht, erfordert dann doch eine Erklärung. Welche andere wollen Sie finden für dieses Lächeln über des trefflichen Mannes Glauben, der Jacobi, wenn er ganzen Herzens nicht ein unselig Mittelding von Schön- und Freygeist und von Gläubigen wäre, mit voller Kraft das Gemüthe ergreifen müßte – welche andre wollen Sie dafür finden, als die einer unglaublichen, ungemeßnen Selbstgenügsamkeit?
Es freut mich, aus Ihren Äußerungen zu sehen, wie gut ich in meinem Buch Jacobi’s Verhältnis zu Claudius getroffen. Sie nennen diesen von mir herzlich verehrten Mann den Repräsentanten der mir gegenüber bestehnden Partey. Wie wenig kennen Sie, lieber Freund, meine innre Denkart! Ich verwundre mich darüber nicht. Die rechtschaffendsten Menschen sind durch den Chor von Verunglimpfungen und Schmachreden gegen meine Lehre, dessen Anführer Jacobi gewesen, endlich zu der festen Meynung davon gekommen, die auch Sie davon zu haben scheinen. Ich habe und erkenne keine Partey mir gegenüber, als die des Kantischen, Jacobischen und Fichtischen Philosophirens, die nur Spielarten einer und der nämlichen Denkart sind. Wie ich in Ansehung Eines Hauptpuncts mit dem Glauben der Männer, wie Claudius ist, ganz einig seyn könne, mögen Sie, Freund, schon aus Ihrer eignen scharfsinnigen Bemerkung schließen, daß auch Claudius’ Glaube für Jacobi, ebenso wie meine Lehre, wenn auch in andrem Sinn Materialismus ist. Ich bin nur Gegner und zwar entschiedner jenes Jacobischen Supernaturalismus, der im Leeren schwebt, alles in bloß innerliche, moralische, unphysische Verhältnisse auflösen will. An dem Supernaturalismus, der sich nicht als ein leeres Super verhält, sondern etwas Natürliches, Physisches, eine wirkliche äußre, nicht bloß moralische, sondern physische Offenbarung zur Grundlage hat. Wie der Supernaturalismus von Claudius – an den glaube ich nicht nur, ich behaupte ihn, bin von ihm durchdrungen, und halte fest an ihm in meinem Leben. Es ist Ein und der nämliche Abscheu gegen das Physische, der Jacobi’n meinen und Claudius Supernaturalismus ungenießbar macht, der ihm diesen zum Götzendiener und religiösen Materialisten, mich zum Gottesläugner und philos˖[ophischen] Materialisten macht. Die Gedanken, so ich in meinem Buch dem Fremdling in den Mund gelegt, sind meine Gedanken, sind meines Herzens Überzeugungen. Urtheilen Sie, ob mit dieser Überzeugung im Herzen ich mich nicht bis zum Kampf auf Leben und Tod gegen jene Halbheit des Gemüths und des Glaubens, womit besonders und vor allem Jacobi unsre Nation getäuscht und entnervt hat, berufen fühlen muß. Auch meine Zeit scheint’s, wird hauptsächlich nach dieser Seite hinwirken.
Ich habe auf der Buchhändler-Liste, die Cotta für die Versendungen an den Drucker geschickt, auch Ihren Namen gefunden.
Ich hoffe also, daß einige Ex˖[emplare] doch auch in jene Gegend kommen und dort frey verkauft werden dürfen. – Sie werden keiner schlechten Sache dienen, wenn Sie meiner Schrift dort einige Verbreitung geben und zu ihrer Bekanntwerdung beytragen. – Sie werden, nach Ihrer Ansicht und Meynung die Behandlung freylich zum Theil grausam finden. Vom Ausland her habe ich wohl einige Stimmen der Art auch gehört; hier findet es niemand, weil jedermann überzeugt ist, daß dieser letzte Ausfall, wodurch ich nicht allein zum Gottesläugner pp. sondern auch zum öffentlichen Betrüger gestempelt werden sollte, nur der letzte Versuch einer unglaublichen Verketzungswuth ist, die kein Mittel unversucht gelassen hat, sogar meine äußere Existenz zu gefährden.
Bleiben Sie mir gut; bitten Sie für mich um Kraft und Aufrichtung unter manchen Lebensbeschwerden, daß ich das Werk vollende, über dem sich Viele der Redlichen erfreuen sollen, die mich jetzt nicht kennen ja vielleicht, was die vermeynten Grundsätze betrifft, verabscheuen. Gott erhalte Sie und geb’ Ihnen Heil, dieß wünscht Ihr herzlich
ergebener
Schelling