Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Dem Herrn

Herrn von Schelling

beständigen Sekretair der K˖[öniglich] B˖[ayerischen]

Akademie der bildenden Künste

zu

München

Geehrtester Herr von Schelling

Mit der Gelegenheit des von hier nach München abgehenden K˖[öniglich] B˖[ayerischen] Kouriers überschike ich Ihnen diese Zeilen in Begleitung eines Exemplars von meinen Ihnen schon bekannten griechischen Bassrelieven. Herr Kirchmeier wird die Güte haben dieses samt den Abdruk gefälligst Ihnen zu übergeben. Ich bitte Sie, dieses Exemplar, wenn Sie es anderst für noch thunlich oder schiklich halten werden, dem Herrn Direktor Langer in meinem Namen zu übergeben. Ich wollte es nicht gradezu an dem Herrn von Langer selbst abgeben lassen, weil ich es Ihrem Gutachten überlassen wollte, solches zu übergeben oder nicht, wie Sie solches für gut finden werden. Ich hätte es nemlich schon früher thun sollen, allein Herr Eberhard, dem ich die erstern mitgab, konnte damals nicht mehrere Exemplare mit sich nehmen. Da ich nun Gelegenheit habe, deren mehrere hinaus zu schiken, so will ich wo möglich diesen Fehler wieder gut machen; Ich überlasse es daher Ihnen, wie Sie solches übergeben wollen, mich desswegen zu entschuldigen.

Schon mehrere Briefe hab’ ich in diesem an Sie abgeschikt, aber noch keine Antwort darauf erhalten, so sehr ich mich auch darnach sehne, einmal wieder ein paar Zeilen von Ihnen zu bekommen um mich daran erwärmen zu können. – Vermuthlich wird Ihnen I˖[hre] K˖[önigliche] Hoheit der Kronprinz nun auch den Schluß jener Abhandlung überschikt haben; zum wenigst schrieb Er mir, daß Er solches sogleich thun wolle, weil Er recht sehr wünsche, daß solche durch den Druk bekannt gemacht werde. Sollte dieses nun wirklich geschehen, so bitte ich Sie nochmals, solche Schrift vorher durchzusehn, und nach Gefallen zu verändern und beizusezen, was Sie nur immer für gut und zwekmäsig halten werden. Zugleich bitte ich Sie mir hierüber mit einigen Zeilen Nachricht zu geben. – Auch schreiben Sie mir etwas über Ihre eigenen Werke, besonders wie es steht mit jenem, von welchem wir manchmal in den Abendstunden gesprochen, und dessen Erscheinung ich mit gröster Erwartung entgegen sehe. Auch vergessen Sie nicht daß wenn Kupferstiche dazukommen sollen, ich mir vorbehalte die Zeichnungen dazu machen zu dürfen. Ich hoffe vielleicht bis Ende des eine Reise nach München machen zu können, wo ich dann das besondere Vergnügen haben werde, über so mancherlei Dinge mich mit Ihnen zu verständigen, und zu besprechen.

Von Neuigkeiten weiß ich Ihnen von hier aus nicht viel erfreuliches zu melden, um so mehr aber von Thorheiten zu sagen. Daß es nemlich wie eine Seuche unter den Künstlern eingerissen, das Alte wieder neu machen zu wollen, das jezt geflissentlich und aus Affektation zu machen, was die Alten aus Einfalt gethan. – Nichts gilt mehr, was nicht aussieht wie Michel Wolhgemuth oder alte Glaßmalerei. Dem Raphael selbst will man kaum mehr Gerechtigkeit wiederfahren lassen, und verdammt ohne Gnade und Barmherzigkeit alle seine späteren Produkte, blos seine Jugend Arbeiten erhalten noch ihr Recht. Diese Sekte, von welcher beinahe alle Deutschen angestekt sind, führt den Namen der Nazareer. Oberbek ist Standartenträger. – Auch sucht man sich in der Kleidung auszuzeichnen; ein gewisser Ruhl aus Cassel, der sich als Altdeutscher verkleidet, erschien vor einigen Tagen mit ganz ungeheuren Federn auf der Kappe, so daß alle Hunde auf dem spanischen Plaz über ihm herfiehlen, und er sich nach Hause flüchten muste, von dieser Zeit an hat er sie wieder abgelegt. – Koch als sehr eifriger Nazareer, haltet wöchentlich seine Vorlesungen, in welchen er nach seiner Gewohnheit über die Akademien loszieht. Die Wiener Professoren kommen dabey am schlechtesten weg. Diesen seinen Vorlesungen hat er den posierlichen Namen die Schleimsuppe beygelegt. Hiemit sey es nun aber genug von den Narren gesprochen.

Herr Kölle aus Stuttgard, dem Sie vielleicht können werden ist hier angekommen, um sich einige Jahre hier aufzuhalten. Auch wird Maler Grassi aus Dresden erwartet, welcher wie es heist sein Leben in Rom beschliesen will.

Ich bitte mich Ihrer Gemahlin zwar als einen Unbekannten zu empfehlen, und bey Gelegenheit auch dem Herrn Subdiaconus Spix bestens zu grüßen. In Erwartung einiger Zeilen verbleibe ich wie immer mit gleicher unbeschränkter Achtung und Ergebenheit
Ihr
ganz gehorsamster

Martin Wagner.