Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Verehrter Herr und Freund!

In einem öffentllichen Blatte dahier wird bey Gelegenheit einer von Landshut ausgegangenen Schrift über Schulsachen der neue Schulplan mit einem »man möchte sagen« der Thiersch’sche genannt, und die Beschaffenheit desselben daher geleitet, daß Philologen nicht immer Philosophen sind. Daraus aber leitet der Verfasser mit einem »sohin« den bündigen Schluß ab, »daß die padagogischen Verirrungen dem Staate nicht weniger nachtheilig werden können als es die demagogischen sind

Nachdem man die neue Schulordnung bald als katholische Kirche beeinträchtigend und die protestantische begünstigend, bald als ein Werk des Jesuitismus und Obscurantismus angeklagt und dadurch gezeigt hat, daß man sie nicht versteht, ist man nun auf gutem Wege, den vorgeblichen Urheber derselben auch noch den Demagogen an die Seite zu stellen.

Es kann mir nicht einfallen, mich gegen den Verfasser der Schrift aus Landshut, die in jenem Aufsatze gepriesen wird, einen mir wohl bekannten und ganz unnützen Schwätzer in Schulsachen, der sein eigenes Lob an den Pforten unserer öffentlichen Blätter herumbreitet, zu verantworten; indeß gibt mir sein Aufsatz eine wenn auch ganz zufällige und äußere Veranlassung, Sie, verehrter Herr und Freund, zu einer Erklärung aufzufodern. Man geht nemlich von gewisser Seite darauf aus, die Einsicht in die Beschaffenheit des Schulplanes dadurch zu verbauen oder doch dazu zu erschweren, daß man ihn als das Werk der Philologen oder des Philologen, als einen reinphilologischen darstellt; und da in den Köpfen der Leute, die vom Lateinischen wenig, vom Griechischen nichts verstehen, Philologie gemeiniglich dem Pedantismus, der Einseitigkeit, der Verkehrtheit und Geistesverkrüppelung gleich geachtet wird, so haben sie sich durch jene Annahme ein weites Feld zu Angriffen der neuen Lehrordnung aufgethan. Nun halten sich diese »Hasser des Wortes« oder Misologen, in der Regel wenigstens, für Philosophen, zuweilen sogar für vortreffliche, und da man weder ihren Rath gefragt, noch ihre Ansprüche befriedigt hat, so wehklagen sie darüber, daß die Philologen nicht auch Philosophen sind, und daß alles Unheil, was sie in dem Schulplan finden oder in ihn hineinbringen, durch diese Ausschließung der Philosophie von seiner Bearbeitung und durch philologische Verstockung gegen die Forderungen einer unendlich vorgeschrittenen Zeit entstanden seyen. Diesem Wahne, der mit großer Beflissenheit genährt wird, um das öffentliche Urtheil über jenen wichtigen Gegenstand zu verwirren und die öffentliche Meinung da zu verwildern, wird vielleicht am besten begegnet, wenn Sie, gleich mir Mitgleid der Commission, aus deren Berathungen die neue Schulordnung hervorging, sich über diesen Gegenstand wär’ es auch nur in wenigen Worten öffentlich erklären wollten. Als Philosoph, an dessen Namen und Wirken sich zuletzt die ganze philosophische Richtung und Gestaltung der wissenschaftlichen Cultur in Deutschland anknüpft, als Mann, in dessen Geiste Europa die höchste und umfassendste Bildung durch die Wissenschaften vereinigt sieht, waren Sie, wenn irgend ein anderer geeignet, über Mittel und Wege höherer Bildung, die wenige kennen, obwol sie alle im Munde führen, heilsamen Rath zu geben. Ob nun wirklich bey Entwerfung jenes Lehrplanes die Philosophie von der Philologie getrennt war, und ob in Folge davon bey seinen Vorkehrungen und Anordnungen etwas versäumt wurde, was die Jugend in den Anstalten, die er einrichtet, zur höherern Bildung führt, darüber wird Ihr Wort und Zeugniß unter den Zweifelnden wenigstens diejenigen belehren, die überhaupt der Belehrung noch zugänglich sind.

Genehmigen Sie pp

Dr. Fr. Thiersch