Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Allerdurchlauchtigster Grossmächtigster König

Auf dem Hauptsaal des hiesigen Munizipal-Gebäudes hangen, unbekannt wie lange schon, Tapeten, nach Gemälden Raphaels im Vatikan, wahrscheinlich unter Ludwig XIV. in Frankreich gewirkt. Die Zeichnung ist so gut, daß man die Cartons: beinah auf den Originalen durchgezeichnet glauben muß; der Glanz der Farben ist wohl erhalten, und, obwohl sie bei der jetzigen Bestimmung und Behandlung über kurz oder lang verderben müßten, eignen sie sich doch noch ganz, nicht nur den Kunstliebhaber zu erfreuen, sondern auch dem Künstler zum Studium zu dienen.

In dankbarstem Andenken alles dessen, was Eure Königliche Majestät in dem Zeitraum weniger Jahre für die Ausstattung Allerhöchst Ihrer Akademie gethan, wagen wir, durch eingezogene Erkundung versichert, daß jene Tapeten ein reines Eigenthum Eurer Königlichen Majestät sind, allerunterthänigst zu bitten, daß Eure Königliche Majestät geruhen mögen, jene Tapeten der Akademie der bildenden Künste zur Aufstellung ihrem Gebäude zu überlassen. Die Gründe, welche wir für dieses allerunterthänigste Gesuch anführen zu können glauben, sind kürzlich folgende:

1. Bei der gegenwärtigen Bestimmung und Behandlung jener Tapeten sind sie weder rücksichtlich der Erhaltung so gesichert, noch der Benutzung und Ansicht von Fremden und Einheimischen so zugänglich, als sie auf der Akademie sein würden.

2. der Saal des hiesigen Municipal-Gebäudes kann bei dem großen Vorrath anderer ungebrauchter Tapeten leicht mit einerseits passenden, andererseits für die Kunst weniger wichtigen Teppichen behangen werden.

3. findet sich in den fraglichen Tapeten kein besonderer materieller Wert: sie sind nicht wie die in Nymphenburg befindlichen, welche Scenen aus der Geschichte des Allerhöchsten Hauses Euerer Königlichen Majestät vorstellen, mit Gold und Silber durchwirkt.

4. Sie haben ein reines Kunst-Interesse und verdienen in einem den Künsten geweihten Lokal aufgestellt zu werden, dergleichen nur die Säle der Kunstakademie darbieten.

5. Ganz unschätzbar aber für Kunst-Studium und Unterricht würden sie erst in der Akademie, da die Abbildungen so großer und unvergleichlicher Werke, deren höchster Werth in der Composition und dichterischen Erfindung beruht, gleichsam beständig unter den Augen der zum höheren Theil der Kunst schon fortschreitenden Zöglinge sich befänden und so schon an sich große Wirkung hervorbringen, aber auch zur Veranschaulichung des höheren Kunst-Unterrichts ungemein viel beitragen würden.

6. Solche Muster waren ein lang gefühltes Bedürfniß unserer Lehranstalt, da die hiesige Gemäldesammlung gerade von eigentlich historischen Bildern so wenig, und, die Werke des Rubens ausgenommen, so wenig bedeutende enthält. Endlich

7. Würde dadurch der Werth der akademischen Sammlung, der von allen Beschauenden mit Bewunderung anerkannt wird, noch um ein bedeutendes erhöht.

Nach diesen Gründen von der Huld Eurer Königlichen Majestät die allergnädigste Gewährung unserer Bitte hoffend, ersterben wir in allertiefster Ehrfurcht

JP Langer Schelling