Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Wohlgebohrner,
Hochzuehrender Herr Hofgerichts-Advokat!

Euer Wohlgebohrn bitte ich zuförderst dem nunmehrigen Herrn RegierungsRath Müller meinen verbindlichsten Dank zu bezeugen für die treue Sorgfalt, womit er meinen Handel bisher geführt und nun in Ihre Hände gelegt hat. Ihnen selbst bin ich ungemein verbunden theils für die Übernahme dieses wie es scheint fast verzweifelten Handels, theils für die ausführliche Nachricht, die Sie mir von dessen gegenwärtigem Stand und möglichen Ausgang ertheilen wollten. Ich will hoffen, daß das von Ew. Wohlgebohrn angewendete Rechtsmittel wenigstens den gehofften Erfolg habe, mich von dem durch den Dr. Assall veranlaßten Präjudiz zu befreyen. Denn es würde mir gar schwer fallen, an einen Gegner, dem ich, so viel ich mich der Sache noch erinnern kann, eigentlich nichts schuldig gewesen, (da die Druckkosten und angebliche Vorausbezahlung auf den Bruno nicht mehr oder wenigstens nicht viel mehr betrugen, als ich von früheren Arbeiten her an ihn zu fordern hatte), an einen solchen Gegner eine so beträchtliche Summe zu verlieren. Was nun den nie eintretenden Fall mit der Gabler’schen Concurs-Masse zu schließenden Vergleich betrifft, so gebe ich Ew. Wohlgebohrn hiezu am liebsten unbedingt Vollmacht, da ich mich einerseits versichert halte, daß Sie thun werden, was nur immer zu meinem Vortheil gethan werden kann, und ich andrerseits über die der Concurs-Masse zu bestimmende Abfindungssumme mich nicht genau erklären kann, da ich nicht weiß, wie hoch sich schon allein die Proceßkosten belaufen würden, und in wiefern ich, bey Eingehung eines Vergleichs gewissermaßen schon vorläufig zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet wäre? Zweyhundert Reichsthaler im Ganzen wollte ich wohl opfern; reichen diese nicht zu, nun so muß ich auch den größeren Verlust mir gefallen lassen, um den noch größeren abzuwenden; ließe sich die Sache mit noch weniger Verlust beenden, so wäre ich deßen doppelt froh. Bey dieser Unmöglichkeit, eine wahre Berechnung der Möglichkeiten anzustellen, muß ich also diese Sache ganz Ihnen überlassen, in der vollkommnen Gewißheit, daß Ew. Wohlgeb˖[ohrn] nachdem Sie den Handel einmal übernommen, ihn nicht anders führen werden, als wenn er Ihr eigener wäre.

Hiemit erkläre ich mich also bestimmt und ausdrücklich, daß ich alles, was Sie in der Sache und insbesondre in Ansehung eines möglichen Vergleichs handeln beschließen und eingehen mögen, ohne Anstand genehmige und genehmigen werde.

Erlauben mir übrigens Ew. Wohlgebohrn noch zwey Fragen,

1) Ob sich durch keine Art von persönlicher Verwendung in Weimar nöthigenfalls selbst bey Serenissimo etwas ausrichten und eine Restitutio in integrum erhalten ließe? Ich würde diesen Weg einzuschlagen gar kein Bedenken tragen, da ich ohne meine Schuld, durch die äußerste Gewissenlosigkeit eines schlechten Sachwalters auf dieses Extreme gebracht worden bin.

2) Ob denn die Sächsischen Gesetze keinen Schutz gewähren gegen die Treulosigkeit, die ein falscher Sachwalter an dem Abwesenden begeht? Denn so hoch ich die Unfähigkeit des Dr. Assall anschlage, meyne ich doch nach allen Umständen nichts anderes als einen wirklichen Verrath der Sache an die Gegenpartei annehmen zu können.

Für die Deserviten des Herrn Reg[ierungs]R˖[aths] Müller sowohl als die übrigen inzwischen aufgelaufenen oder bevorstehenden Kosten habe ich einstweilen die Summe von 7 Carolins bestimmt, für welche ich Ew. Wohlgebohrn mit der nächsten oder spätestens der darauffolgenden Post eine sichere Anweisung zusenden werde, auf welche ich mit Beantwortung Ihres geehrten Schreibens nicht warten wollte.

Empfangen Sie inzwischen nochmals meinen herzlichen Dank für die Übernahme des so arg verschlimmerten Handels, und zugleich die Versicherung der vollkommensten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu seyn
Euer Wohlgebohren
ergebenster Diener

Schelling.