Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sie werden allerdings kaum begreifen, wie es zugegangen, daß ich auf Ihre freundschaftlichen Briefe und Sendungen so lang nicht geantwortet. Der Hauptgrund lag in dem Schwanken, das seit einiger Zeit in Ansehung meiner Lage eingetreten war. Schon vor mehreren Monaten erhielt ich Auffoderungen, nach Jena zurückzukehren, und in der letzten Zeit Anerbietungen, wie sie dort bisher noch nie gemacht worden waren. Welche Ursachen ich hatte, diesen Gedanken nicht gänzlich, noch unbedingt zu verwerfen, läßt sich in einem Briefe nicht wohl detailliren: ebenso unmöglich schien aber, unbedingt zu folgen. Hierdurch entstand ein Hin- und herschwanken, das sich nun endlich dahin entschieden hat, daß ich bestimmt und nun wohl für immer hier bleibe. In sofern kann ich Sie jetzt erst völlig als Collega begrüßen, zuerst aber danke ich Ihnen für die fortwährende gütige Zusendung Ihrer Tabellen, die mir wohl erst zum vollen Nutzen gereichen werden, wenn der lebendige Lehrer mit hinzutritt. Ich läugne Ihnen nicht, daß ich sehr darauf hoffe, während der nächsten Jahre unter Ihrer Leitung und Hülfe diese große Lücke in meinen Kenntnissen ausfüllen zu können. Ich glaube nicht, einen Bogen doppelt erhalten zu haben; dagegen scheint mir εε zu fehlen, doch bitte ich mir darum denselben nicht zu schicken, es möchte seyn, daß bey einer getroffenen häuslichen Veränderung er sich wohin versteckt hätte und demnächst wieder zum Vorschein käme. In der Geschichte der galvanisch-voltaischen Entdeckung und den nächstfolgenden Angaben glaubte ich einige Unrichtigkeiten zu bemerken, welche wohl wünschenswerth machen könnten, diesen Bogen umdrucken zu lassen.

Uns wegen einer Wohnung für Sie umzusehen, haben wir gleich Anfangs aus dem Grunde wieder unterlassen, weil wir in den hiesigen Anzeigen zu sehen glaubten, daß außer uns noch Jemand sich damit beschäftigte und Sie so leicht zwey Wohnungen statt Einer erhalten konnten. Außerdem gestehe ich Ihnen: es ist, zumal hier, schwer, Wohnungen für eine andre Familie auszusuchen, da auch die besten noch immer viel zu wünschen übrig lassen. Bey näherer Überlegung finden wir das Räthlichste, daß Sie die ersten Monate Ihres Hierseyns, ja bis zum , sich ein schon eingerichtetes und mit Möbeln versehenes Quartier nehmen. Sie werden dann mit aller Muße sich selbst die Wohnung aussuchen und auch die Möbeln ganz nach Ihrem Geschmack machen lassen können. Sollten Sie damit einstimmen und uns auftragen wollen, eine solche provisorische Wohnung für Sie zu suchen, so seyn Sie überzeugt, daß wir dieses Geschäft gern übernehmen und so gut als möglich besorgen werden.

Ich finde es ganz passend, daß Sie, dem schon jetzt großentheils und bey den bedenklichen Gesundheits-Umständen unsrer akademischen Mineralogen, bald ganz die Pflege dieser Wissenschaften anheimfallen wird, Ihr Amt mit einer Erklärung Ihrer Ansichten über Bedeutung und Stand der Mineralogie antreten. Es wird mich freuen, wenn Sie mir ihre Abh˖[andlung] über diesen interessanten Gegenstand zum Voraus mittheilen wollen.

Ich wiederhole Ihnen die Versicherung aufrichtiger Freundschaftlichkeit, mit denen ich Ihnen in allen Verhältnissen entgegenzukommen mir zur Freude und zur Ehre rechne. Ebendieß bitte ich Ihrer würdigen Frau Gemahlin von Seite meiner Frau zu versichern, die sich Ihr mit mir bestens empfielt.
In Hoffnung, Sie bald und für immer hier zu sehen, mit vollkommenster Hochachtung
Ihr
g[an]z erg[e]bner

Schelling.