Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochwohlgebohrner,
Hochverehrter Herr.

Sie werden es seltsam finden, daß ich, der im äussern Leben nur einmal flüchtig an Ihnen vorüberstreifte, sich hier schriftlich an Sie wendet, und um eine Gunst bittet, die sonst nur der genauer Erkannte von einem hochgestellten Geiste erwarten darf. Aber so vieles, was höher steht, als eine, oft durch den Zufall erworbene äusserliche Bekanntschaft, macht, daß ich mich immer Ihnen näher denke, und fast wie zu einem väterlichen Freunde sprechen darf. Ihre Geisteswerke haben auf die Entwickelung meines philosophischen Denkens am entscheidendsten gewirkt, und mehrere Ihrer Freunde und Verehrer sind auch mit mir durch die Bande der innigsten Achtung und Freundschaft verbunden. In solchen Beziehungen finde ich den Grund, der diese Zuschrift entschuldigen kann, und nur weh thut es mir, daß sie von meinen persönlichen Angelegenheiten handeln muß.

Mancherlei äussere Verhältniße, deren Auseinandersetzung Ihnen unintereßant, ja lästig seyn würde, machen es mir wunscheswerth, meine Stellung als Lehrer der philos˖[ophischen] Wissenschaften an hiesiger Universität mit einer Lehrstelle dieser Art an einer andern Universität, wo ein lebendiger Sinn für Wissenschaft und Kunst sich regt, zu vertauschen. Daß dieser in München aufblühen werde, wo großartige Anstalten ihn unterstützen, verspricht schon der Einfluß Ihrer Gegenwart. Und so ist mir der Entschluß entstanden, Ihnen hochverehrter Herr, meinen Wunsch mitzutheilen; da mir nicht unbekannt ist, welches Gewicht Ihr Vorschlag zur Erfüllung desselben haben könnte.

Aber ich verhehle nicht, daß sich zweierlei demselben entgegenstellt. – Das Erste, daß Ew. Hochwohlgeboren wahrscheinlich von meiner akademischen und litterarischen Thätigkeit nichts bekannt ist, um so mehr, da ich in den letzten Jahren zusammenhängende wissenschaftliche Arbeiten größeren Umfangs nicht bekannt gemacht habe, und an dem, worauf ich einigen Werth lege, (einem Lehrbuch der Religionsphilosophie, einem System der Aesthetik, einer Bearbeitung des größeren geschichtsphilosophischen Werks von Tenemann mit berichtigenden Anmerkungen) – noch arbeite. Ich mußte es also dahin gestellt seyn lassen, ob Ew. Hochwohlgeboren, falls diese Bitte bei Ihnen einige Berücksichtigung findet, in dem Kreise Ihrer näheren Bekannten jemanden anträfen, der in dieser Hinsicht Ihnen eine solche Auskunft zu geben im Stande wäre, welche meinen Wunsch unterstützte. Das Zweite ist, daß ich damit eine solche Verbeßerung meiner Verhältniße beabsichtige, welche mich in den Stand setzen könnte, eine vielfache, litterarisch zersplitterte Thätigkeit, welche mir aufgenöthigt wird, mit einem einfacheren wissenschaftlichen Wirken zu vertauschen. Letzteres bin ich verpflichtet hinzuzufügen, um Ew. Hochwohlgeboren durch Ihre gewogene Empfehlung, falls Sie mich derselben würdigen sollten, nicht zu compromittiren, und weil, bei Ermangelung eigenen Vermögens, die ökonomische Lage meiner Familie mich nöthigt, den gedachten Schritt mit Berücksichtigung der Vortheile meines gegenwärtigen Wirkungskreises zu thun.

Indem ich nun auf diese Weise meine Bitte vertrauensvoll in Ihre Hände lege, nenne ich mich
Ew. Hochwohlgeboren
stets ergebenen

Amad. Wendt
Hofrath und Prof[essor] der Philos˖[ophie]