Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An Herr Director Schelling

in

München

d˖[urch] Güte.

Liebster Bruder!

Herr Professor Sigwart von Tübingen, welcher in diesen Ferien nach München zu reisen gedenckt, hat mich diesen Morgen besucht, und mir angeboten, etwas an Dich zu besorgen. Ich weiß nur, besonders da mir heute die Zeit so gantz kurtz zugemeßen ist, Dir nichts weiter zu schreiben, als daß wir alle wohl sind, und uns recht freuen auf die Zeit, in welcher wir Dich mit Deiner lieben Frau und Kindern hier zu sehen hoffen. Du mußt Dich eben, so lang noch die rauhen MärzWinde herrschen, recht in Acht nehmen, und lieber keinen Ausgang mehr versuchen. Ich hoffe, Dein Schnupfen und Kopfweh werde inzwischen vorüber gegangen seyn. Sey nur getrosten Muthes, es wird sich gewiß mit Deiner Gesundheit wieder geben. Es scheint mir, Du seyest ein wenig kleinmüthig geworden, was Dir nicht wohl thut und Deine gänzliche Wiedergenesung nur verzögern wird. In wenigen Tagen werde ich Dir wegen der Büste des Herzog Christophs ausführlicher schreiben können. Es existirt auch ein Gemählde von Christoph hier, das dem Tochtermann des blinden HofRath Pfeifer in München gehört, und das zwar schwerlich von Lukas Kranach, wie viele behaupten, aber doch von einem vorzüglichen Meister herrühren mag. Das Kostum daran ist vortrefflich, und viele hiesige Leute haben sich aus Liebe zu Christoph Kopieen davon machen laßen. In dem neuen Landschaftssaal hier ist auch ein Basrelief von Christoph in StuccatorArbeit, ich habe aber noch nicht erfahren können, von wem und nach welchem Vorbild es gemacht worden ist. Ich werde Dir demnächst das Nähere hierüber schreiben.

Einstweil˖[en] empfehle ich Dir Herrn Prof. Sigwart zu freundlicher Aufnahme, denn er ist ein guter braver Mann. Nimm Dich eben recht in Acht vor der rauhen Luft. In der sollte ich doch glauben, werdest Du zu uns reisen können. Der Schmertzen auf der Brust, den Du noch hast, ist wahrscheinlich rheumatischer Art. Wenn er noch fortdauert, so lege doch mit Wachholderbeeren geräucherte Baumwolle auf denselben.

Nun lebe recht wohl, und empfehl˖[e] uns Deiner lieben Frau bestens.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

Karl.

Wegen des Bildes habe ich dem Tochtermann des Pfeifers nichts gesagt, und sagen mögen, außer wenn Du es wünschtest.