Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Liebster Bruder!

Der Herr D. Regi[erungs]Rath von Wöllwarth, welcher von hier nach München abreist, hat mir angeboten, einen Brief an Dich mitzunehmen, und ich ergreife diese Gelegenheit um so lieber, als ich mir schon täglich und stündlich vorgenommen hatte, an Dich zu schreiben, und Dich besonders wegen einer Versäumniß, welche ich mir zu Schulden habe kommen laßen, um Entschuldigung zu bitten. Du hast mir nämlich schon in Deinem vorlezten Briefe geschrieben, daß es mit Deiner Gesundheit noch immer nicht gut stehe, und Dir das verordnete Pulver nur momentane Hülfe gewähre. Ich glaubte dieß zwar, da Übel dieser Art gewöhnlich sich von längerer Zeit herschreiben, und sich auch gewöhnlich, besonders in dem Alter, in welchem Du stehst, langsamer haben, als in einem spätern. Ich hielt deßwegen eine neue Verordnung nicht für nothwendig, weil ich der Meinung war, daß Du Dich doch noch einige Zeit hindurch des Pulvers bedienen solltest, indem man sonst doch nicht gewiß wißen kann, ob es Dir nicht gründlichere Erleichterung schafft. In dem Taumel von Geschäften, in welchem ich mich nun beständig befinde, fiel mir es nun aus, Dir dieses zu schreiben, und in meinem lezten Brief, den ich Dir in einer großen Eilfertigkeit schreiben mußte, gieng es mir wieder so. Ich tröste mich über diesen Fehler mit dem Bewußtseyn, daß es gewiß nicht aus Mangel an brüderlicher Liebe geschehen ist, sondern daß es eben nur aus dem Grunde, weil ich Dir keine neue Verordnung machen wollte, mir begegnen konnte. Hast Du nun das Pulver, (wenn Du es anders nicht gantz für unpaßend halten mußt, was wohl seyn konnte, da ich doch nicht im Detail von Deinen Umständen unterrichtet bin) noch einige Zeit hindurch gebraucht, und es schafft Dir gar keine Erleichterung, so wollte ich Dir, wenn Du es wünschen solltest, eine andere Kur vorschlagen. Die Hoffnung, von der ich mich lange nicht trennen konnte, Dich bald gantz in unserer Nähe zu besitzen, und welche ich bis diesen Augenblick noch gar nicht aufgegeben habe, machte wohl auch, daß ich weniger darauf bedacht genommen habe, Dir damals sogleich wieder zu antworten, und ich bitte Dich daher recht sehr, es nicht schlimm auszulegen!

Neues weiß ich Dir von hier aus nichts zu schreiben! Herr von Wöllwarth, welcher sich in unserer LandesVersammlung sehr ausgezeichnet, und besonders die lezten Fehlgriffe derselben nicht getheilt hat, wünscht als ein alter Bekannter von Würzburg her Dich wieder zu sehen. Man sagt, er wolle eine Rechberg sich zur Frau hohlen, ich weiß aber nicht, ob etwas Wahres daran ist. Er kann Dir sagen, wie es gegenwärtig bei uns steht, und sein Umgang wird Dich intereßiren. Auf die Frage, welche ich in meinem lezten Brief in Betreff des Briefs an ### gemacht habe, hast Du mir nicht geantwortet, woraus ich schließe, daß Du keinen Schritt in Betreff deßelben für nöthig findest.

Neues giebt es in unserer Familie nichts, alle sind wohl, und die Mutter, welche diesen Abend bei uns war, läßt Dich und die lieben Deinigen mit uns herzlichst grüßen. Eine Schwester meiner Frau, die Wilhelmine ist seit einigen Tagen Braut mit dem jungen D. Reg˖[ierungs]Rath Wächter, dem Sohn des braven Geh˖[eim]Raths.

Nun leb wohl, und verzeih’ mir nochmals mein unbrüderliches und unärztliches Benehmen, das gewiß nicht von einer schlechten Indolenz herrührte!
Dein
tr˖[euer] Bruder

K.