Ich kann mir unmöglich versagen, den mündlichen und herzlichen Grüßen, die Herr Doctor Passavant von mir an Sie zu überbringen die Güte haben will, noch einige Worte schriftlich hinzuzufügen und Ihnen zu danken, für die väterliche Freundschaft, die Sie jederzeit gegen mich bewiesen und erneut in den Äußerungen an andere Freunde darthun.
Welche wahrhaft große und lebendige Theilnahme und Freude Ihr Entschluß, sich wieder auf einer bedeutenden Universität der lebendigen Mittheilung hinzugeben, in mir verursacht hat, kann ich nicht beschreiben. Sie werden jedoch eine Anschauung davon haben, wenn ich Ihnen bekenne, daß es meine feste Ueberzeugung ist, wie Sie grade auf diesem Wege vorzüglich eine tiefe und eingreifend wohlthätige Würkung auf Ihre Zeit und die Nachwelt haben, und eine Schule gestiftet fortdauernd befestigen und vermehren werden, wie die großen, weit ins Leben verbreiteten Schulen der Alten waren. Sie geben Leben, welches lebendig empfangen, fortzeugt ohne Grenze.
Wie wahr dieses ist, müßen Sie selbst eingestehen, wenn Sie den Zustand der Philosophie auf den Universitäten in der Nation beobachtet haben, seitdem Sie den Catheder verlaßen. Das, was man heutzutage noch Philosophie zu nennen beliebt, verdient doch nicht diesen Namen; aber auch den darf es nicht behalten. Die Gewalt der Wahrheiten, die Sie verkünden, wird dieß bewähren, und Sie werden in anderer Weise eine empfängliche Anzahl Schüler finden, als .
Wie damals der allgemeine Unglaube und eine seichte Aufklärung den Menschen Alles zu nehmen bemüht war, was einer höheren und unsichtbaren Welt angehörte, und die beßeren Geister zu dem flüchteten, der mitten in dieser Wüste, das Reich der Wahrheit und Ideen verkündete, der über die höchsten Dinge verschmähte einen Beweis nach engen Verstandesbegriffen zu geben, sondern sie, im Glauben und der Anschauung lebendig beurkundet, als absolute voraussetzte, als Quelle alles Seyns, mithin auch seyend; so werden auch jetzt, und ich höre es mit Freuden von allen Freunden bestätigt, die Schüler, durch die große Lehrerin, die Geschichte unterwiesen, daß es etwas Höheres gebe, und daß es mit all dem richtigen Wißen, das nicht hierin begründet ist, eben nichts ist, in Ihren Hörsaal strömen, um zu lernen, wie die tiefste menschliche Weisheit im Einklang mit der ewigen, göttlichen steht, wie es eine würkliche und wahrhaftige Wahrheit giebt, die von Gott geoffenbarte, welche die Weisheit der Menschen auch da noch erleuchtet, wo das eigne Licht nicht hell genug leuchten würde, indem die Offenbarung Gottes in der Vernunft getrübt worden. Sie werden erfahren daß alle Wahrheit, die nur eine subjective ist, zu einer öden Einsamkeit und trostlosen Verzweiflung führt, während Sie ihnen vom Baum des Lebens Früchte reichen, die zum Leben führen.
Ich habe so ganz vergeßen, daß mehr als 20 Jahre hinter mir liegen, seit dem ich Ihr Schüler bin, daß ich keinen angenehmeren Gedanken kenne, als den, aufs neue an Ihren Vorlesungen Theil zu nehmen und wenn es mir auch für den Lauf dieses versagt seyn wird, so wird doch die nächste freye Zeit von mir angewendet werden, um mindestens einige Tage, Sie in Ihrem Auditorium zu besuchen, um selbst zu hören, was ich ohnedem glaube; wie Sie mit alter Kraft und der Gewalt der Ueberzeugung den Schülern keine Wahl gestatten, sondern Sie zwingen zur Begeisterung für die Wahrheit und in ihr alle Aufgaben des Wißens und Lebens in der höchsten Weise zu nehmen.
Sollten Sie, die früher gegebene Hofnung, uns bey einer Rheinreise zu besuchen, erfüllen, so würde das uns sehr freuen, besonders wenn dieses im geschehen sollte, wo der Raum in unserem Hause zuläßt (dießmal hat ihn eine kranke Nichte eingenommen), daß wir Ihnen anbieten dürfen, Ihre Wohnung bey uns aufzuschlagen.
Mit der Verehrung eines dankbaren Schülers gegen seinen väterlichen Freund und Lehrer verharret
Der Ihrige
Thomas
Frankfurt den .