Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochwohlgeborner Herr
Hochgeehrtester Herr Professor

Ew. Hochwohlgeboren haben meinen Angelegenheiten gleich auf meine erste Bitte eine so gütige, thätige Theilnahme geschenkt, daß ich, ohne mir selbst ungetreu zu werden, niemals anders, als nächst der tiefsten Hochachtung zugleich mit den Gesinnungen der innigsten Erkenntlichkeit an Sie denken könnte, auch wenn Ihre wohlwollende Verwendung für mich, in Betreff meiner äußeren Verhältnisse, keine Veränderung zur Folge haben sollte.

Die ausgebliebene Entscheidung hinsichtlich meiner Berufung nach München habe ich schon seit einiger Zeit einer durch die dortigen Umstände gebotenen Verneinung zugeschrieben, wie der Brief, mit welchem Sie mich so eben beehrt haben, dieses bestätigt. Unterdessen habe ich mich hier, auf specielle Veranlassung eines Rathes im Ministerium, zu Vorlesungen an hiesiger Universität, als Extraordinarius, mit einstweiliger Beibehaltung meiner Functionen als Gymnasiallehrer unter der Bedingung verstanden, daß mir mit der ersten Vacanz eine unabhängigere Stellung und außerdem die Befugniß zur Anschaffung des zu den Vorlesungen erforderlichen Apparats, woran es der hiesigen Universität noch gänzlich fehlt, ertheilt werde. Die Aufforderung war an sich von der Art und fand zugleich unter einer Concurrenz statt, bei welcher mir nur die Wahl blieb, entweder auf sie einzugehen oder mir alle Aussicht zu künftig möglicher Verbesserung meiner hiesigen Lage abzuschneiden. Doch habe ich noch keine officielle Bestätigung vom Minister erhalten und muß, wenn sie, wie ich wohl nicht zweifeln darf, erfolgt, dennoch befürchten, der unverhältnißmäßigen Anstrengung des zwiefachen Berufs mit meinen schwachen physischen Kräften zu erliegen ohne seinen Verpflichtungen weder nach der einen noch der andern Seite zu recht genügt zu haben.

In dieser Lage erfüllte mich der unerwartete Empfang Ihres Schreibens und die darin angedeutete Aussicht zu einer Versorgung in Würzburg mit besonderer Freude und ich gestehe, daß ich in meiner Bedrängniß auf Momente die Vorstellung, das liebliche Mainthal als ein Asyl zur Verwirklichung einer stillen, ganz der Wissenschaft hingegebenen Lebensthätigkeit zu betrachten, mit Wärme festgehalten habe. Ich würde, glaube ich, eine Anstellung in Würzburg, selbst wenn sie in Hinsicht des Einkommens weniger vortheilhaft als in München sein sollte, der letzteren vorziehen, zumal seitdem ich vernommen habe, daß Ew. Hochwohlgeboren selbst nicht geneigt sind, nach München zu gehen.

Darf ich es daher nochmals wagen, Sie um Ihre Verwendung für mich in dieser Angelegenheit hochachtungsvoll zu ersuchen, so thue ich es. Ich wiederhole Ihnen meine feste Versicherung, daß ich mich durch günstigere Anerbietungen, die mir etwa in Folge meiner Berufung dorthin, hier später gemacht werden möchten, auf keine Weise würde zurückhalten lassen und von meinem Dankgefühl für Ihre abermalige Güte schweige ich, da ich Ihnen schon für Ihr bisheriges Wohlwollen stets auf das innigste verpflichtet sein muß.

Mit der höchsten Verehrung verbleibe ich
Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster

G.F. Pohl

Sollte ich wieder die Ehre haben, einen Brief von Ew. Hochwohlgeboren zu erhalten, so bitte ich ergebenst, auf der Addresse an das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zu verweisen. Durch die Weisung nach dem Joachimsthalschen Gymn˖[asium] auf Ihrem letzten Briefe scheint eine Verzögerung seiner Abgabe an mich verursacht zu sein.