Genf den
Geehrtester Herr Doktor
Ich habe die Ehre ihnen hiemit einen Übersetzungsversuch ihres verdienstvollen Werckchens über die Gottheiten von Samothrake, zu übersenden. Ich habe die Rede theilen müssen; die zwei Stücke sind in den Heften von und der Bibliothèque Universelle erschienen. Die durchaus neuen und tiefen Ansichten welche darinn so faßlich vorgetragen sind, werden gewiß in Frankreich, unter den wahren Forschern, Aufsehen erregen. Der historische Weg ist vielleicht von allen noch der zweckmäßigste, um die Franzosen allmählig aus dem Staube ihrer materialistischen und mechanischen Philosophie, zu einer höheren Ansicht zu leiten. Ihre Nationaleitelkeit würde sich sträuben gegen jeden Versuch ihnen eine neue Lehre als fremdes Produkt aufzudringen, und es würde nur zu unnützen Streitigkeiten führen. Ich bin überzeugt daß die Keime einer besseren Philosophie in Frankreich, schon im Beginne ihrer Entwickelung stehen. Diese Keime muß man pflegen, und von innen heraus, nicht von außen hinein, muß die Wahrheit geboren werden.
Ich erwarte mit Ungeduld ihr neues Werk über die griechische Mythologie, und habe es, wie sie sehen werden, im ersten Stücke schon angekündigt. Ich werde mehrere Auszüge daraus liefern. Leider bin ich auf dem Punkte nach England abzureisen, wo ich mich den hindurch aufzuhalten gedenke. Ich hatte gehofft ihr Werk noch vor meiner Abreise zu erhalten, aber Herr Cotta hat mir noch nichts geschickt. Ich werde es mir aber allenfalls nachsenden lassen, und die Auszüge dort bearbeiten. – Ich werde in Paris meinen Freund Cousin besuchen, der sich noch immer mit seiner Übersetzung des Plato beschäftigt. Mit seiner Gesundheit will es noch nicht gut gehen: man hat ihm alle zusehr anstrengende Arbeit untersagt. Es wäre Schade wenn dieser Mann die Hoffnungen nicht erfüllen könnte, welche seine Talente erregt haben.
Sollten sie vielleicht wünschen daß einige Theile ihres neuen Werks in den Auszügen besonders herausgehoben würden, so würde ich Sie bitten mir darüber einige Winke zu geben; wie z.B. die wichtigsten Stellen oder Kapitel zu bezeichnen. Die Arbeit würde besser ausfallen, und ich würde mit mehr Einsicht Hand an’s Werk legen. –
Verzeihen Sie mir mein Geschwätz, geehrtester Herr Doktor, und genehmigen sie den Ausdruck der tiefen Achtung und der wahren Bewunderung die ich ihnen gewidmet habe
Ihr unterthänigster Diener
Ad. Pictet
N.B.
Meine Adresse ist: Mr Adolphe Pictet de Rochemont à Genêve. Unter dieser Adresse würde mir alles zukommen. – Meinen unterthänigen Gruß an Herrn Professor Schubert wenn er sich meiner noch erinnert.