Sr. Hochwohlgebohrn
den Herrn Director und Ritter
von Schelling
in
d˖[urch] G˖[üte]
Breslau den .
Indem der Freiherr von Kloch, ein sehr unterrichteter und besonders in der Naturwissenschaft kenntnissreicher junger Mann, der manches erlebt und erforscht hat und mit lebendigen Eifer in der bedeutungsvollen Gegenwart lebt, dessen Absicht es besonders ist, die kecke und feste bürgerliche Gesinnung, die in Deinem Vaterlande sich so rüstig entwickelt, genauer kennen zu lernen, da er auf seiner Reise durch das südliche Deutschland auch durch München kommt, mich ersucht hat, einen Brief an Dich ihm mitzugeben, nehme ich die Gelegenheit wahr, um mein, vielleicht durch Jahre-lange Trennung, verschiedenartige Beschäftigung in Etwas erloschenes Andenken von Neuem zu erfrischen. Freilich sind wir, einst auf eine so fröhliche Weise vereinigt, wir müssen es uns wohl gestehen, durch die verschiedenen Wege, die wir von einem Punkt aus verfolgten, immer mehr getrennt. Aber dennoch möchte die Trennung mehr scheinbar als wirklich sein; denn Deine lezte Schrift über die Lehren der Kabiren auf Samothrace, hat mich für Dich wieder aufs Tiefste gewonnen, ja sie ist mir in so hohem Grade wichtig geworden, dass ich behaupten darf, Du erscheinst mir, belebend und erweckend jezt, wie in jenen heitern Zeiten der Jugend von Neuem.
Es ist, nach so langer Trennung, da wir so verschiedenartig angeregt wurden, schwer einen Anknüpfungspunkt zu finden, am schwersten durch einen Brief. Indessen wird vielleicht eine Schrift , an welche ich in diesen Tagen die lezte Hand lege, dazu dienen den Standpunkt, den ich für das Leben, für das Daseyn überhaupt, gewonnen habe, genauer zu bezeichnen. Ich werde sie Dir, wie mehreren meiner Freunde, von welchen ich in diesen Winkel getrennt lebe, als ein Vermächtniss zuschicken. Denn was in den trüben Zeiten des Drucks mich gequaelt und erhoben hat, was ich in der Zeit hoffe und fürchte suche ich darzulegen, meine Gesinnung und meine Ansicht des Lebens. Sie heisst: »Über die gegenwaertige Zeit und wie sie geworden, mit besonderer Beziehung auf Deutschland«, und wird hoffe ich mit der Unzahl der politischen Schriften wenig gemein haben.
Wenn ich Dir diese Schrift schicke sollst Du zugleich, wenn es Dir nicht etwa gleichgültig ist, meine Ansicht Deiner lezten Schrift auch erhalten. Mir würden es über alles wichtig und theuer sein, wenn wir auf diesen Weg, nach Verlauf so vieler Jahre uns wieder näherten.
Ich darf nicht behaupten, daß ich mit meiner hiesigen, etwas eingeschränkten Lage sehr zufrieden wäre, indessen habe ich Muße, und das ist doch in mancherlei Rücksicht das Wichtigste. Es sollte mir angenehm sein, wenn ich bei dieser Gelegenheit auch etwas von Dir, von Deiner Lage, von Deinem Leben und Treiben erführe.
Dein Freund
Steffens