Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwohlgebohren

dem Herrn Director von Schelling

nach

München

Franco

Sie werden sich verehrtester Herr und Freünd ohne Zweifel darüber wundern daß ich ihnen von hier aus melde, ihr an mich nach Weimar Erlaßener, sey daselbst angekommen, und die Einlage für Goethe an denselben abgegeben worden.

Ein durch Verkältung mir zugezogenes Übel im Schlund und Gaumen quälte mich die Monate und des vergangenen Jahres gar sehr, und weil man vermuthete solches würde mir auch durch den in Weimar beschwerlich bleiben, bin ich mit Urlaub in den abgereiset um bis etwa im künftigen hier zu verweilen. Dieses Unternehmen ist mir denn auch in so ferne zum Vortheil ausgeschlagen, als ich des Übels im Schlund mich nun so ziemlich entledigt fühle und hoffen darf wenn keine neuen Unfälle dazwischen kommen zur gesetzten Zeit die Rückreise anzutretten.

Als mir aus Weimar von einem angekommenen Briefe mit dem Siegel der Bayerischen Akademie der b˖[ildenden] K˖[ünste] Nachricht ertheilt wurde, mit Beyfügen, derselbe werde wahrscheinlich Zulagen enthalten, habe ich denselben eröffnen lassen, und der Freund welcher meine Angelegenheit besorgt, der biederste Mann aber kein Kunstverständiger, berichtet mir nun Summarisch. Ihr Brief handle von Gypsabgüßen und die Einlage an Göthe sey demselben zugestellt. Sollte dieser ihnen bis jetz noch nicht geantwortet haben; denn leider kränkelt er auch oft, so ist es ihnen vielleicht angenehm die eben erzählten Umstände zu erfahren.

Auf der Herreise habe ich während dreytägigem Aufenthalt in Heidelberg die Gemäldesammlung der Herren Boiserée zu sehen Gelegenheit gehabt und muß gestehen daß dieselbe sehr merkwürdig ist; zumal für mich, der von ältern Niederländischen Meistern früherhin nur ganz unvollständige Kenntniß erhalten, oder, beßer gesagt, keinen derselben gekannt, außer den Quintin Meßis und den Luc˖[as] van Leiden aus einigen wenigen Bildern.

Hier auf dem Lande, außer allem Verkehr mit Künstlern oder Kunstfreünden, habe ich in den gegenwärtigen Wintertagen viel überflüßige Zeit; um nun solche einigermaßen zu benutzen, bin ich auf den Einfall gerathen die Entwürfe von etwa vor 8 Jahren gehaltenen Vorlesungen über die Kunstgeschichte weiter auszuarbeiten, habe auch schon einige den Alten und Hohen Styl betreffende, obgleich von allen Hülfsmitteln entblößt, lückenhaft genug zu stande gebracht, doch ist es immer eine Vorarbeit wen ich gesund nach Weimar zurückkomme und sie fortzusetzen Muße finde: je mehr ich übrigens den Stoff durchgedacht je mehr überzeügte ich mich daß die eginetischen Statuen unschätzbar für die Kunstgeschichte seyn müßen und wünsche nur daß es mir noch gegönnt seyn möge sie mit Augen zu sehen.

Ich empfehle mich ihrem ferneren Wohlwollen und Fr[eund]schaft ganz ergebenst und verbleibe mit Verehrung
Ihr Freünd und Diener

H. Meyer