Hochwohlgeborner Herr Geheimer Hofrath,
Nur in der Ueberzeugung, daß wahrhaft große Männer auch groß sind im Ertragen der Antastungen kleiner oder irrender Geister, und größer noch im Verzeihen alles, ihnen geschehenen Unrechts wage ich es, Ihnen durch eine zweite Arbeit meine Hochachtung gehorsamst zu bezeugen. Es ist gewiß meine Schuld, wenn ich bisher nicht so glücklich gewesen bin, Ihr gütiges, mir so wünschenswerthes Urtheil über meine frühere zu erfahren. Unter diesem Bewußtsein ist mir nun erst Ihr eigener hoher Gedanke, daß es die Nachwelt übernehmen müsse, die Vorwelt zu vertheidigen und gegen die Verläumdungen der Unwissenheit und Anmaßung in Schutz zu nehmen
, wichtig und werth, ja sein Sinn recht klar geworden. Allein, wenn es gleich schwer sein mag, so ists doch nicht unmöglich, daß nicht auch die Mitwelt schon die große Pflicht der Gerechtigkeit ausüben könnte. Ob es aber mir gelungen sein sollte, mich schon jetzt auf den Standpunkt gehoben zu haben, um auch nur in Einigem jene Gerechtigkeit und Rechtfertigung von mir rühmen zu können, werden Sie, Hochgeehrtester Herr Geheimer Hofrath, am ersten und beßten aus meinem Versuche der Seelenwissenschaft beurtheilen können. Ausser manchen anderen Bedingungen scheint mir eine Hauptsächliche die der möglichstgrößten Freiheit, und Selbständigkeit des Geistes zu sein; indem nichts so sehr Vorurtheile, Halbwahrheiten und Schiefheit des Urtheils zu begünstigen pflegt, als Abhängigkeit und Unselbständigkeit des Wissens und Handelns. Wenigstens mein Streben nach dieser geistigen Freiheit und Selbstheit, also auch nach Gerechtigkeit und Wahrheit, werden Sie, wie ich hoffe, in dieser neuen Arbeit vielleicht nicht unbemerkt lassen, und darum diese wohl mit mehr Zufriedenheit und Gunst, als die vorige, durchsehen; ja, auch der Grund wird sich vor Ihnen allenthalben darin enthüllen und anschaulich werden, welcher mich den Wunsch, oder vielmehr mein Bedürfniß aussprechen läßt, einen Ort nämlich gerne zu verlassen, wo ich mich in meiner geistigen Thätigkeit etwas gehemmt und beschränkt fühle. Ebenso wird Ihnen auch mein aufrichtiges Geständniß natürlich und nothwendig erscheinen, schon oft gleichsam sehnsüchtige Blicke auf das so jugendlich frischemporstrebende München geworfen zu haben, und vielleicht selbst dies, daß ich mich schon in Ihrer Mitte und an Ihrer Seite befinden würde, wenn mein durchaus unvermögender Zustand und die Rücksicht auf meine Subsistenz mich nicht noch an diesem Orte zurückhielten. Vielleicht aber trägt meine letzte Arbeit auch etwas zur Milderung des letztgenannten Uebels bei; wenigstens möchte ich zunächst alle mir zufließende Hülfe nur hierauf gegründet wissen; indem diese ohne Zweifel über das, was ich schon bin und noch werden kann, Jedem, der mein geistiges Leben und Streben darin begriffen hat, wohl mehr Gewißheit zu geben geeignet sein wird, als alle übrigen sonstigen Urtheile und Meinungen.
Um so seltener nun überhaupt zu unserer Zeit gründliche und wahrhafte Urtheile hauptsächlich in philosophischen und allen höchsten Angelegenheiten sind, um so mehr darf ich mir wohl mit der Hoffnung schmeicheln, einstmals Ihr gütiges Urtheil über meinen Versuch der Seelenwissenschaft zu erfahren und dagegen versichern, mit dem Gefühle wahrhafter Hochachtung und Ehrerbietung jederzeit zu sein,
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster
Mußmann.
(Charlottenstr. No. 44.)
Berlin. den .