Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Mein Theurer, Hochverehrter Freund

Ich beantworte heute, da die Post in einer Stunde geht, nur kurz Ihren letzten mir sehr werthen Brief vom und auch heute nur die Stelle desselben, welche unsere Wartburgsfahrt betrifft, aus einem besonderen Grunde.

Sie haben, erlauben Sie mir diese freimüthige Bemerkung, eine ganz falsche Ansicht von unserm Feste erhalten, und mir sehr Unrecht und Wehe gethan. Der Zweck war die geistige Feier der Reformation verbunden mit der Feier des , der Befreiung von der politischen Knechtschaft. In diesem Sinne ist das Fest aller Deutschen von unserer studirenden Jugend angeordnet, und alle protestantischen Akademien, da man aus Delikatesse die katholischen nicht einzuladen wagte (was mehrere, zB. Würzburg übel genommen) sind dazu eingeladen und haben ihre Abgeordneten geschickt. So entstand eine Versammlung an Nahe und Ferne um mehr als 600 herrlichen Jünglingen, der Blüte des Vaterlandes, voll Innigkeit und Liebe nur dem angegebenen Zwecke huldigend, und auf der Wartburg im Rittersaal ein Gottesdienst, wie es einzig in der Geschichte dasteht. Von uns Professoren waren Oken, Fries, Schweitzer und ich daselbst. Ich konnte nicht fehlen, und meine Reise dahin war längst beschloßen; Oken kam von einer Reise zum Prinzen von Neuried zurück, er leitete seine Reise auf diesen Tag, Ort und Stunde; Fries war bis auf den letzten Tag unentschloßen, ob er hingehen, oder dem Beispiele anderer folgen solle, fein furchtsam zu Hause zu bleiben, und hatte auf diesem Falle eine Rede drucken laßen. Schweitzer hatte in der Gegend eine Geschäftsreise, die ihn über Eisenach führte. Uneingeladen von den Studirenden waren wir nur als Zuschauer gegenwärtig, daß uns aber alle die ### ergriff, daß wir in Eisenach eingeladen, den herzlichsten Antheil nahmen, werden Sie sehr natürlich finden, und ich habe nur bedauert, daß uns mehrere weitere Leute fehlten, und auch Sie würde die herrliche Feier mit Liebe ergriffen haben. Der Grosherzog hatte sich sehr edel und groß benommen. Nicht allein die Wartburg sammt den Pulverthurm war den Studenten völlig eingeräumt, dessen ### sie wählten, sondern auch die Bürger Eisenachs waren von Weimar aus veranlaßt, die Studenten frei aufzunehmen, zum Octoberfeuer von G[ros]h[erzog] bewilligt p. So war es sehr natürlich, daß man beim fröhlichen Male nach dem Helden des Tages, Luther und den Gefallenen für die Freiheit, unsers Grosherzogs in Ehren gedachte. Am Abend waren auf dem gegenüberstehenden Berge die Siegesfeuer, wohin unsere Studenten mit dem Landsturm zogen. Eine Rede wurde gehalten, wie man in den gegenwärtigen Zeiten, nach meiner Ansicht, nur über die allgemeinen Verhältniße reden kann, die aber, weil sie so ist, beßer ungedruckt geblieben wäre, und darauf von einem Einzelnen, wahrscheinlichst auf Jahns Ansichten ein Auto da fé gehalten, dem wir Alle, waren wir gegenwärtig gewesen, beigestimmt haben würden, – was aber nicht zur Sache gehört, nicht von der Gesammtheit beschloßen, nicht dieser zuzurechnen ist.

Demnach thun Sie, theurer Freund, mir und allen gegenwärtig gewesenen, tiefes Unrecht, wenn Sie einen Plan zur Herabsetzung anderer Fürsten in der ganzen Feierlichkeit ahnden wollen. Von Okens und meiner Gesinnung sind Sie wohl überzeugt, daß wir nicht unsere erbärmliche Verfassung als Muster aufstellen wollen; Fries hat den Grosherzog zwar herausgehoben, Seine Rede ist das Schlechteste, was an dem Tage erschienen ist, unvorsichtig und unpolitisch, aber ich traue ihm dennoch mehr Geradheit, Rechtlichkeit und Einsicht zu, als sich zu einem solchen Gaukelspiel herabzuwürdigen. Schweitzer hat am wenigsten Einfluß gehabt, und war am meisten ruhiger Zuschauer. – Von Außen Einfluß hat nur Jahn gehabt, von dessen Schüler die Beschreibung erschienen ist; daß aber er tieferes Spiel getrieben hat, ist bestimmt ungegründet, und auch seiner unwürdig zu denken.

Die Verbrannten haben nun Lärm geschlagen; Reklamationen gehen von allen Orten beim Grosherzog ein, der seine edlen Gesinnungen im völligen ### des Festes theuer büßen muß; das ganze Fest ist in Deutschland verschrien, und, was mich sehr schmerzt, selbst die Beßeren haben eine falsche Ansicht bekommen. Die Fürsten, nicht ahndend, wie viel sie sich vergeben, legen dem jugendlichen Spiel einer aufgeregten Jugend eine Bedeutung bei, die ihrer Sicherheit gefährlich werden könnte, und was wir nicht aus dem Feste machten, wenigstens nicht die kurzsichtige Jugend macht die Furcht der Fürsten dazu. Okens Isis, in welcher es eine kurze Beschreibung gab, und auf gewohnte frivole Weise die Verbrannten durch Embleme versinnlichte, ist mit Beschlag belegt, und was nachkommen mag, ist nicht vorauszusehen.

Ich werde mich wahrscheinllich genöthigt sehen, meine berichtigende Beschreibung des Festes drucken zu laßen, und da möchte ich Sie ersuchen, wenn es der Lauf der Schrift mit sich brächte, mir zu erlauben, das Ende Ihres Briefes, diese Sache betreffend, natürlich ohne Ihren Namen, abdrucken zu laßen.

Das letzte ist der Grund, warum ich Ihnen heute und so eilig schreibe. Haben Sie die Güte, mir mit umgehender Post einige Zeilen zu antworten.

Ueber das Uebrige Ihres theuren Briefes Nächstens ein Mehreres. Er enthält zwar fast nur Tadel und Vorwürfe, doch gerade deshalb bin ich Ihnen, vom aufrichtigen Freunde, herzlich verbunden, und er hat mich in mehr als einer Hinsicht sehr erfreut, indem er mir zeigt, daß auch Sie unsren deutschen Angelegenheiten nicht fremde geworden sind, was man aus Ihrem Stillschweigen schloß, und daß Sie die bedeutungsvolle Gegenwart Ihrer Theilnahme nicht unwerth halten.

Leben Sie wohl. Es giebt so wenige, zu denen man mit der Hoffnung gegenseitigen Verständnißes in dieser Zeit reden kann, daß ich Sie mit der herzlichsten Liebe begrüße
Ihr

Dr. DG Kieser