Schelling Nachlass-Edition

Daß auch ganz gescheide Männer anerkannten Freunden Worte der Convenienz sagen müssen!, daß Sie dies in Ihrem Briefe vom 1ten h˖[ujus] thaten, können Sie weder gegen Sich noch gegen mich verantworten.

Die Gesundheits Verhälltnisse Ihrer Frau Gemahlin betr[effend] kann ich Ihnen ohne Rücksprache mit Dr. O. sagen, daß es nicht an dem ist, blos die dermalige somnambule zu benützen, er wird zu jeder Zeit Rath erhohlen können, indem seine somn˖[ambule] eine Idiosomnambule ist, deren Zustand unfehlbar noch ziemlich lange Zeit andauert. Bey den obwaltenden Verhalltnissen würde ich auch durchaus vorziehen, die Würckung der heilenden Nymphe durchaus nicht zu stören. Da noch überdies die somn˖[ambule] selbst keine Gefahr sah, vielmehr mit Bestimmtheit Besserung und Gesundheit vorhersagte, so kann das Hingeben, Ueberlassen an die heilende Kraft der Quelle mit desto mehr Zuversicht gescheen. Sollte Ihnen inzwischen eine störende, beunruhigende Erscheinung vorkommen, so lassen Sie die Leidende ein Stückchen Flanell in der Herzgrube tragen, und senden Sie es mir oder Dr. O. damit sich die Anschauung der somn˖[ambulen] durch einen näheren Rapport mehr erhelle. – Daß Sie nun Ihre Arbeiten begonnen haben, dazu wünsche ich Ihnen und der Welt Glück; allein ich verbinde damit die weitere Bitte, den Zustand der Abgeschlossenheit gegen alles Aeußere so viel Ihre Gesundheit erlaubt zu verlängern; damit das Abrollen des Ideen Knäuls so bald als möglich geschee. Ich will suchen Ihnen meine Idee anschaulich zu machen.

Die medicinische Facultat kommt Ostern, die übrige Universitat auf Michaelis nach München. Damit ist an und für sich nichts gescheen, wenn die Landshuther Professoren alles thuen sollen. Das höchste Ziel der Wissenschaft muß erzielt werden können auf der neuen Universitat, und die Resultate müssen leicht ins Leben übergehen. Der Wissenschaft steht ein harter Kampf bevor, der mit einer vorherschenden Indolenz und Sinnlichkeit, und der mit der Beschräncktheit und dem Mönchsthume. Rüstige Streiter müssen für die gute Sache auftretten, aber auch solche, welche ihre Feinde zu behandeln wissen, damit sie nicht von der ganzen Massa erdrückt werden. Hier kommt alles auf eine kluge Direction an. Eine solche traue ich weder dem Geschäftsmanne als solchen, noch dem Gelehrten als solchen zu, und glaube die Studien Direction oder Curatel, wie sie heiße, muß aus 2 Männern bestehen, einen Gelehrten und einen Geschäftsmann, von überwiegenden Geist, und einen verdienten Namen in der gelehrten Welt. Den einzigen alle nöthigen Eigenschaften vereinenden Gelehrten finde ich in Ihnen, und werde alles Ernstes streben diese Idee geltend zu machen, um so mehr, als ich mich bey fortgesetzten Nachdencken überzeugt habe, daß Sie als Mitglied der Gesetz Commission die ersprieslichsten Dienste leisten können und werden. Was Sie alles dagegen einwenden, weis ich, weis, daß man die Idee als das paradoxeste anfeinden wird, darum aber lasse ich mich nicht abschrecken. Der Satz wird nächstens hingeworfen, und je unbändiger sich die Leute dabey aufführen, desto besser. Die Herrn müssen daran gewöhnt werden, der Sache ins Innere zu schauen, und dann begreifen sie sich, und die Sache geht! – Was ich hiezu machen kann werden Sie sagen, und ich erwiedere, ich will also kann ich. Die Herrn in Athem zu erhalten, weis ich, und obschon sie nur den Abgeordneten scheuten, fangen sie doch an, auch nun den Menschen zu hören und zu beachten.

Daß wenn einmal an’s Werck gegangen werden muß, ich nicht allein stehe, werden Sie bald finden; denn es giebt noch Menschen, welche fern von Eigennutz blos die gute Sache, das Beste des Koenigs und Vaterlandes verfolgen. Dermalen fehlt noch aller Plan, die Leute sind kranck und schwach, wird ein Plan vorgelegt, so wird er acceptirt. Schreiben Sie Ihre Wünsche in Beziehung auf die Universitat mit einzelnen Worten, ohne alle Ausführung mir auf ein Octavblatt, und Sie sollen finden, daß die daran gewandte Stunde ein glücklich verwendete war. – Die gute Sache wird immer großre Fortschritte machen und mehr Boden gewinnen. Der Congress von V˖[erona] ist ein großer Schritt zum Bessern. Hier hat die schlimme Secte des heiligen Bundes einen Riß erhalten, welcher das Ganze zerreißt; Hier wurden Grundsätze gepredigt und verworfen (thut nichts, man hat sie doch gehört, semper aliquid haeret) um welche noch vor Monaten die Leute gehängt worden wären, der Glaube an physische Macht wurde hier wanckend gemacht, und nach sehr guten Nachrichen werden die Weltangelegenheiten jenen Gang gehen, welchen sie ohne ihn gegangen wären Die Gegensätze haben sich nun greller dargestellt. Wir haben von daher nicht nur nichts zu fürchten, sondern im Gegentheile Gutes in soweit zu hoffen, weil der Glaube an Gewalt der Waffen, der durch Neapels Schändlichkeit gestärckt worden war, in seinem Grunde erschüttert ist durch Lehren aus Erfahrung, welche kaum lange wird geheim gehalten werden können. Diese Lehre unterstützt durch einige Eingriffe der Nemesis in höhere Regionen hat Schrecken erregt, und Gutes muß jenen Klugheit erzeugen, welche einzelne Lencker größerer Angelegenheiten hieraus lernten. Ich bin überzeügt, kein Congress hat den Erwartungen der Zusammentrettenden weniger entsprochen, als dieser, und keiner hat weniger furchtbare Folgen. In Kurzen vielleicht mehr. – Wegen meines Entschlusses den öffentlichen Angelegenheiten mich zu entziehen, werde ich Ihnen zu einer andern Zeit bestimmter schreiben, einsweilen nur so viel, daß ich es nie in dem Sinne thuen werde, welchen Sie unterzulegen scheinen. – München werde ich kaum evidiren können, es scheint bestimmt entschieden zu seyn; wie, unter welchen Umständen etc. etc. weis ich selbst nicht; was ich erfahre, theile ich Ihnen mit. – Eben erfahre ich daß von Clossen von seinem Platze entfernt werden soll.