Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Endlich, mein lieber, werther Freund, komme ich auch wieder dazu, Ihnen zu schreiben. Ihren Brief vom erhielt ich am Tag der Rückkehr von einer Badereise, während welcher sich andre, ganz unaufschiebliche Geschäfte gehäuft hatten. So vergingen erst Wochen und endlich Monate, bis ich zu dieser Antwort kam. – Was soll ich Ihnen über den Inhalt Ihres letzten Schreibens sagen? Zuerst, daß ich Ihnen für die treue Darstellung aller Umstände danke. Ich sehe daraus, daß Sie mir so weit vertrauen, als ein Mensch dem andern vertrauen soll, und Sie haben sich in mir nicht geirrt, wenn Sie auf meine herzliche Theilnahme rechneten. Könnte ich nun nur mehr thun, als bloß diese mit Worten beweisen! Mit Rath, wenn auch nicht mit That beystehen! – Denn daß Sie in der gegenwärtigen Lage in die Länge nicht bleiben können, sehe ich völlig ein. Inzwischen tragen Sie dieß Creuz mit Geduld, unter Glauben und Hoffnung. Es wird gewiß anders werden, wenn wir es auch gleich jetzt nicht einsehen noch begreifen. Wie manche schnelle und unerwartete Veränderung ereignet sich in unseren Tagen! Ich wollte so gern’ etwas dafür thun, daß Sie zum zweyten mal in Baiern eine Lage fänden, die Ihnen wenigstens das würde, was die in Nürnberg war. Aber ich bin allzu unvermögend dazu. Ihre andern Freunde, Emil H˖[erder] und unmittelbarer noch Herr von L[erchenfel]d könnten das Beste thun. Aber es ist eben Alles zerrissen und aus den Fugen und oft kaum der Zweig zu finden, worauf sich ein armer, gejagter Vogel niederlassen könnte. Öfters habe ich in der letzten Zeit mich gefragt, warum Sie bey Ihren Überzeugungen und dem offenbaren inneren Beruf sich schon früher dem geistlichen Stand entzogen, und warum Sie nicht in diesem, selbst jetzt noch, die Zufluchts-Stätte sehen, wo es Ihnen vielleicht wohler um’s Herz seyn würde, als am Hof oder auf der Universität. Freylich ist die Verderbniß in alle Stände gedrungen, der Friede flieht selbst die Hütte des Geistlichen, dem man sonst, wenn er äußerlich seine Pflicht nach Kräften erfüllte auch noch einen weiteren Spielraum für den innern Menschen gönnte. Aber die Intoleranz unsrer sich tolerant nennenden Zeiten, der Geist der Bosheit und des Neides, der gleichsam in jedem fährt, dem auch nur ein wenig Gewalt verliehen, und der ihm nicht zuläßt, irgend jemanden still glücklich und ruhig zu sehen, ohne seiner Ruhe nachzustellen – dieser Geist macht vielleicht auch diesen Ausweg unmöglich. So bleibt denn nichts als das stille Harrn, unter der gewissen Zuversicht, daß wo die Noth am größten die Hülfe am nächsten. Der leidigste Umstand ist die Wirkung der dortigen Umgebung und Verhältnisse auf Ihre liebe Frau. Suchen Sie also, diese vor allem auf andre Gedanken, und ihr Herz wieder in die Höhe zu richten. Dieses ist, was ich Ihnen jetzt schreiben kann – wenig, wenn mit meinem innigen Wunsch verglichen, Ihnen irgendwoher Hülfe oder doch kräftigen Trost zu zeigen. Allein diesen gibt nur der innere, mit uns leidende, unsre Schwachheit sanft theilende, aber auch uns vertretende, helfende, rettende Geist. Diesem empfehle ich Sie, und bitte Sie, festzuhalten in der Liebe zum Gemeinsamen, und durch dieses auch zu dem, der Ihnen hierinn verbunden ist und bleibt.

Ich bin mit inniger Freundschaft, und mit der Bitte, daß Sie mir doch öfters schreiben, Ihr
treuergebner

Schg.