Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Es war längst mein Vorsatz, Ihnen für das interessante Geschenk Ihrer Symbolik des Traums zu danken; die Arbeit, in der ich bin, ließ mich aber nicht Muße zu der Ausführlichkeit finden, die ich wünschte, um in der Ferne, worinn wir uns befinden, nicht Mißverstand zu veranlassen oder zu vermehren. Ich mußte nämlich aufrichtig bekennen, daß mich die Sache und die Gedanken mehr angezogen als die Art der Behandlung, die ich, wenn sie allgemeiner werden sollte, für einen Verderb unsrer eigenthümlich deutschen, ernsten und strengen Wissenschaftlichkeit halten müßte. Davon aber nun um so weniger ein Wort weiter, als ich auch heute wieder keine Zeit zur Rechtfertigung dieser Meynung gefunden, da Sie vielleicht mit Ihrer Form das Wesen verloren glauben, von dem ich gewiß bin, daß es erst in gesetzlich strenger Entfaltung seine ganze Herrlichkeit offenbaren kann.

An dem Unangenehmen Ihrer Lage, wovon Sie besonders an meine Frau geschrieben, nehme ich herzlichen Antheil. Doch will ich Sie als Freund ermahnen, Ihr Gemüth nicht zu sehr davon einnehmen zu lassen. Das beste Mittel gegen alles Verdrießliche ist Ergebung und Geduld; haben wir diese bewiesen, dann erst wird uns geholfen. Ich darf vielleicht hievon reden, als einer, der durch manches Feuer der Trübsal gehen mußte, und der außerdem nicht gewöhnliche Feinde hatte (selbst solche, denen ich Gutes gethan) und noch hat, die nichts Erdenkliches gegen mich unversucht gelassen, und doch bin ich noch da, lebe und hoffe mit Gottes Hülfe zu wirken, wie ich bis jetzt nicht gewirkt habe. Das Stündlein Ihrer Erlösung wird gewiß kommen; greifen Sie aber der Vorsehung nicht vor.

Ich setze ohnedieß voraus, daß Sie sich selbst geprüft haben um zu wissen, daß kein eigenwilliges Bestehen auf einer selbstgefälligen Lehrart Veranlassung gegeben, da bey Instituten der Art Eltern und Vorsteher allerdings ein Recht haben zu fodern, daß Bestimmtes auf bestimmte Weise gelehrt werde. In so fern wäre Ihnen eine Versetzung auf die Universität wohl zu wünschen, und wird Ihnen bey der kräftigen Verwendung des B. L. kaum fehlen können, wenn erst etwas Ernstliches geschieht; nur sorge ich daß Sie in Würzburg eben so viel Verdruß und viel weniger Ersatz finden als in Nürnberg. Nach meiner Erfahrung würde ich Ihnen rathen, einen protestantischen Ort jedem katholischen vorzuziehen.

Ich höre, daß Sie hier nachgefragt, ob ich wirklich katholisch geworden? Diese Frage könnte mich von Ihnen verwundern, wenn es noch etwas der Art könnte und wenn sie mir nicht zeigte, daß Sie mich eben gar nicht mehr kennen oder vielmehr daß Sie mich nie gekannt haben.

Meine Frau würde Ihren freundlichen Brief zugleich mit mir beantworten, wenn ihre häuslichen Geschäfte es eben zuließen. Sie hat mir einen Lebens- und Liebevollen Knaben geboren. Gelegentlich schreiben Sie mir doch, ob das Lied: Es glänzet der Christen pp. wirklich von dem C˖[hristian] F˖[riedrich] Richter ist. Ich kenne es von Kind auf, halte es aber viel zu kräftig gegen die andern Sachen, die poëtisch betrachtet doch gar zu erbärmlich sind. –

Leben Sie recht wohl, empfehlen Sie uns beyde unbekannter Weise Ihrer lieben Frau und sey’n Sie meiner freundschaftlichen Ergebenheit versichert

Schelling