Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Ich hätte Ihnen, gel˖[iebter] Freund, längst geschrieben und unsern Antheil an Ihrer Krankheit, unsre innigsten Wünsche für Ihre Wiederherstellung bezeugt, hätte mich anfangs nicht die Besorgniß, unter diesen Umständen mit einem Briefe nur ungelegen zu seyn, und in den letzten Tagen eignes Übelbefinden abgehalten. Nun aber mag es seyn wie es wolle, ich schreibe Ihnen – nicht Sie aufzurichten, denn ich höre von allen Seiten, wie standhaft und muthvoll Sie das unvermeidliche tragen und jetzt Ihre Person, wie sonst Ihre Kunst, dem Tode entgegenstellen, über welchen nach sovielen Siegen doch dieses der schönste Triumph seyn wird, Sich Selbst der Welt und Ihren Freunden zu erhalten – vielmehr nur eben dieses Ihnen zu sagen, daß Sie nicht von hinnen gehen dürfen und sollen, daß wir (ist es nur möglich) mit unsern Wünschen Sie festhalten, daß eine Lücke auch in meinem Leben entstehen würde, wenn ich Sie nicht mehr unter den Lebenden wüßte. Wir haben alle eine böse Zeit durchgemacht, eine bessere steht bevor, ein höheres Leben der Wissenschaft, ein neuer Aufschwung der Geister, und eine Freyheit, die, so mäßig sie seyn mag, uns für die verkümmerten Tage schadlos halten soll. Das alles sollen Sie, hoffe ich, noch mit erleben, Sich noch Ihrer Freunde freuen und diesen Freude bereiten. – Doch alle unsere Wünsche sind einem höheren Willen unterthan. Hat dieser über Sie verfügt, nun so werden Sie den letzten Schritt mit der Heiterkeit und Leichtigkeit thun, mit der Sie durch das ganze Leben gewallt sind, und uns dahin vorangehen, wohin früher oder später wir alle wandeln. Für diesen Fall nehmen Sie meinen letzten Dank für alle Freude, welche Ihr schöner und lebendiger Geist, welche Ihr fröhliches und freundliches Gemüth auch mir in dieser Welt bereitet. Scheiden Sie mit der Gewißheit, daß wir des vielen Guten, das uns durch Sie geworden, nie vergessen werden, und denken Sie auch unserer noch dort in dem stillen Leben, zu dem Sie sich unter Schmerz und Bedrängniß geläutert, und nach dem mehr oder weniger wir alle uns sehnen. – Doch noch wollen wir solchen Gedanken nicht Raum geben; es war von Anfang an, ich weiß nicht welche Zuversicht in mir, daß Sie uns noch nicht entrissen werden. Diese Hoffnung will ich denn auch festhalten, und so sey’n Sie von mir und Paulinen auf’s Zärtlichste gegrüßt, und gewiß, daß ich für Tod und Leben bin und bleibe

Ganz
der Ihrige

Schelling.