Sr. Hochwohlgebohrn
Herrn Ober Justiz Revisions
Rath Georgii
in
frey
Verehrungswürdigster Freund und Gönner!
Schon so lange habe ich nichts von Ihnen vernommen, und Sie auch nichts von mir. Die Veranlassung gegenwärtiger Zeilen gibt eine eben erschienene Abh˖[andlung], die ich Ihnen zusenden zu müssen glaube auf die Gefahr selbst, daß Sie solche nicht des Lesens werth halten. Freylich ist sie mit vieler eitler Gelehrsamkeit nach Weltbrauch angefüllt; aber ihre eigentliche Tendenz würden Sie darum nicht verkennen, besonders wenn es Ihnen gefiele, auch die Anmerkungen zu lesen und was ich darinn über unsre alttestamentlichen Bücher gesagt. Dieß alles, was ich auch treibe, und, nicht bloß meinet auch der Sache wegen, treiben muß, geht dennoch nach dem Einen großen Ziel hin, das mich wie Sie einzig beschäftiget und dem ich mich Gott sey Dank stufenweise nähere. Den schmerzlich empfundenen Tod des trefflichen Riegers (für dessen schöne Biographie ich Ihnen noch nicht gedankt) empfinde ich in diesem Augenblicke auf’s Neue mit Schmerzen, da ihn, als berufenen Schriftforscher und Exegeten, manches in dieser Abh˖[andlung] unmittelbarer ansprechen mußte. Denn Wenige sind der eigentlichen oder vielmehr so genannten Gelehrten, denen meine wahre Absicht verständlich oder, wenn verständlich, gefällig sein wird.
Über die große Angelegenheit unsres Vaterlandes schreibe ich jetzt nicht; daß sie mich lebhaft beschäftiget, brauche ich nicht zu sagen. Die Wünsche aller guten Menschen in allen Ländern Teutschlands sind für die gute Sache und ihre Vertheidiger.
Meine Frau wünscht mit mir Ihrer hochzuverehrenden Frau Gemahlin und Ihnen geh˖[orsamst] empfohlen zu seyn. Erhalten Sie mir immer ein kleines Plätzchen in Ihrem Andenken, und erlauben’s Zeit, Umstände und Gelegenheit, erfreuen Sie mich wohl auch wieder mit einigen Zeilen Ihrer Hand. Mit unverbrüchlicher reinster Hochachtung
Ihr
geh[or]s[am]ster
Schelling.