Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

MedicinalRath Dr. Schelling

in

Stuttgardt

frey bishin

Liebster Bruder!

Es wäre mir freylich sehr angenehm gewesen, die Notiz, die sich auf das Bürgerrecht bezieht, früher zu erhalten, wo ich dann nicht gesäumt hätte, diesen Weg gleich einzuschlagen. Vielleicht indeß hättest Du auch dagegen Schwierigkeiten gefunden; auf jeden Fall bitte ich Dich, niemand davon zu sagen, es möchten sich sonst gute Freunde finden, die auch da einen Riegel vorschöben. Ich begreife nicht, wie Du von Seiten Plancks, was die Aufnahme seines Vetters aus Weißenburg betrifft, eine Unrichtigkeit oder Unwahrheit, auf das bloße Geschwäz von Süßkind hin, voraussetzen kannst.

Sieh’ gefälligst den mitfolgenden Brief No. 2. an, und sage, ob nach der mit einem NB. bezeichneten Stelle, man wohl an dem factum zweifeln kann. Ich will Dich nun mit der Sache durchaus nicht weiter behelligen; danke Dir für Deine vielen Bemühungen, habe inzwischen unter’m heutigen Herrn Rector Planck gebeten, die weitere Betreibung der Sache, die nöthige Eingabe mit einbegriffen, völlig zu übernehmen, so daß Du weiter um die Sache Dich zu bekümmern oder zu bemühen durchaus keine Ursache hast.

Paul betreffend muß ich Dir zwar danken, daß Du auch über meine Absicht mit ihm Dich äußerst, ob ich gleich meines Wissens in dieser Hinsicht Deine Intercession nicht nachgesucht habe. Du stellst Dich auch hier auf den Standpunct Schwierigkeiten zu erheben, wie wenn Du die Genehmigung zu ertheilen hättest, oder ein Mitglied des Ministeriums wärest. Ich habe Dir aber die Sache bloß historisch mittheilen wollen. Aus dem Brief No. 1) an der bezeichneten Stelle kannst Du abnehmen, daß es auch mein Wunsch gewesen, den Paul noch ein Jahr in Nürtingen zu lassen. Du wirst Dich aber zugleich überzeugen, daß ich gegen Plancks so bestimmte Erklärung nichts weiter versuchen konnte. Ganz unbegreiflich aber ist mir, wie Du durch weitläuftige Erklärung über die Ursachen, warum Du den Paul nicht aufnehmen könnest, auf meiner Seite eine solche Absicht, oder einen solchen Wunsch vorauszusetzen scheinst. Wie bin ich Dir nur so fremd geworden, daß Du mich gar nicht mehr begreifst? Ob ich es gleich billig für überflüssig halten konnte, meynte ich doch in meinem letzten Briefe mich deutlich genug darüber ausgesprochen zu haben. Ich versichre Dir nochmals, nicht im Traume hätte mir einfallen können, den Paul in Dein Haus zu bringen.

Was Deinen Vorschlag mit Schönthal betrifft, wo, wie Du sagst, »August öfters nach ihm sehen könne«, so wirst Du mir verzeih’n, wenn dieß kein zulänglicher Beweggrund für mich ist. Ich muß Paul vielmehr unter die beständige Aufsicht eines tüchtigen Mannes stellen, um über ihn beruhigt zu seyn. Ob es sich mit den Schwierigkeiten seiner Aufnahme in ein andres Seminar nicht ebenso verhält, wie mit dem regressus cum et sine effectu werde ich wohl bald von Planck erfahren. Wenigstens sehe ich nicht ein, welchen Zusammenhang die Gründe: »daß die hospites in neueren Zeiten ganz derselben Regel unterworfen sey’n, wie die Seminaristen, und eine eigne Verordnung bestehe, daß nie mehr ein Seminarist (wahrscheinlich wolltest Du schreiben: ein hospes) in eine Promotion eingeschoben werden könne« mit der Äußerung haben: »Du zweifelest, ob die Aufnahme in ein andres Seminar werde gestattet werden«, Du müßtest denn etwa voraussetzen, es sey meine Absicht, den Paul mit der Zeit auch noch in eine Promotion zu bringen, was mir aber nicht eingefallen ist. Deine Bedenklichkeiten eilen meinen Absichten nicht weniger als den Entschließungen des Studienraths voraus. Mir scheint, bey einem hospes, dem kein Anspruch ertheilt wird, könne der Studienrath auch wohl in jenem Fall sein Gewissen beruhigen, daß ein Knabe mit einer älteren Promotion zusammentrifft, sobald nur kein Nachtheil für diese daraus entsteht; der Unterricht wird aber wohl einem Fremden zulieb nicht retardirt werden, es fragt sich also nur, ob dieser ihm folgen kann und dieß zu beurtheilen ist wohl die Sache seiner frühern Lehrer, und hat etwa sein Vater zu bedenken, nicht aber der Studienrath, der ja für den Fremden keine Verantwortung übernimmt, sondern ihm nur, auf seine eigne oder resp˖[ective] seiner Eltern Gefahr, die Erlaubniß ertheilt, an dem Unterricht theil zu nehmen. Diese Erlaubniß ist, wie ich höre, auch schon völligen Nichtwirtembergern ertheilt worden; warum sollte man also Paul Schwierigkeiten machen, dessen Vater wenigstens ein geborner Wirtemberger ist? Übrigens hat Planck wie Du aus dem Brief No. 2) ersehen wirst, früher schon freywillig sich erboten, dieß zu betreiben; Du brauchst also nicht zu sorgen, daß Dir dadurch eine neue Besorgung zuwachse; ich bitte Dich vielmehr mit niemand darüber zu reden, Du könntest nach Deiner Art sonst leicht Schwierigkeiten provociren, wo an keine gedacht wird.

Leb’ recht wohl, und entschuldige das Flüchtige dieses Briefs, ich wollte Dich aber so schnell als möglich beruhigen und darum die heutige Post nicht versäumen.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

Fr.

N.S.

Die Briefe von Planck bitte ich, mir zurückzuschicken.