Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Wohlgebohren

dem Herrn Medizinalrath Dr. Schelling

in

Stuttgardt

frey

Liebster Bruder!

Länger kann ich nicht ruhig zusehen, daß ich von Dir so lange keine Nachricht und auf meinen letzten Brief keine Antwort erhalte. Wenn es Deine vielen Arbeiten sind, die Dich abhalten, so verzeihe meiner Ungeduld. Aber ich weiß nicht, warum ich immer fürchte, Du möchtest den Anstrengungen selbst erlegen und krank geworden seyn. Gieb mir also doch – oder laß mir Nachricht geben durch Deine liebe Frau oder unsere liebe Schwester, damit ich aus dieser Ungewißheit gerissen werde. Vielleicht ist es noch ein Rest von Schwäche in mir, obwohl ich jetzt täglich mehr zu Kräften komme, trotz des mancherley Leidwesens, das uns seitdem noch betroffen hat. So liegt meine Frau ungefähr seit an einer Halsentzündung zu Bette und ich vermisse gar sehr ihre Pflege. Doch sey dem Himmel gedankt, daß sich das Scharlachfieber nicht weiter verbreitet hat.

Erfreue mich ja mit guten Nachrichten von Dir, doch auch die minder guten muß ich annehmen und ziehe ich der Ungewißheit vor.

Mit zärtlichster Liebe
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

Fr.