Liebstes Brüderchen!
Ich habe Dich immer als meinen guten Genius betrachtet und Deiner Stimme mehr als jeder andern von außen kommenden gefolgt. Jetzt ist ein Fall da, wo ich sie wieder vernehmen möchte. Unerwarteter Weis’ erhalte ich von dem alten geliebten Jena einen Antrag zur Lehrstelle der Logik und Metaph˖[ysik] in der philos˖[ophischen] Facultät. Man bietet mir tausend thaler (eine dort unerhörte Summe, die ich gewiß, der Erste und bis jetzt Einzige, erhalten würde), das Primariat in der philos˖[ophischen] Facultät und andre Vortheile. Das Einkommen wäre dem hiesigen so ziemlich gleich, inwiefern die Facultätsgebühren nach dem geringsten Anschlag auch 150 reichsth˖[aler] betragen, und ich schon an der Wohlfeilheit der Wohnung 3-400 fl. gewinnen würde. Der Erwerb durch Vorles[ungen] wäre fast reiner Überfluß. Doch das gehört nur zu den Bedingungen, ohne welche ich nicht gehen könnte. Aber – daß ich wieder als Lehrer wirken kann, in dieser bedeutenden und immer bedeutender werdenden Zeit, wieder jener goldenen Freyheit genießen, die man vielleicht an keinem Orte der Welt, und auf keiner Universität so wie in Jena schmecken kann, das sind Motive, die in meinem Inneren eine gewaltige Bewegung hervorbringen.
Wieder bloß Lehrer der Philosophie zu seyn, würde mich einst in so hohem Grade reizen, aber der allmälige und schickliche Übergang, den ich dort zur Theologie machen könnte und zu dem ich auf jeden Fall die Mittel ausbedingen würde, der Gedanke, dadurch, unter göttlichem Segen, für ganz Deutschland etwas Entscheidendes zu thun und mir Wohlthätiges Licht anzustecken, wogegen die erste, noch in der Jugend hervorgebrachte, Bewegung nur ein unlauteres Feuer war, das sind Vorstellungen, die mich mit großer Gewalt treiben und fast zum Entschluß bringen. Drey Dinge haben diesen bis jetzt zurückgehalten.
Zuerst die Nothwendigkeit, mich der höchsten Lauterkeit meines Entschlusses zu versichern, ohne welche doch kein wahres Glück für mich wäre.
Zweytens die Pflicht, meine Kräfte zu prüfen, und wohl abzuwägen, ob ich geistig und physisch auch dem Allem gewachsen seyn würde.
Drittens ein Gefühl von Rechtlichkeit in Bezug auf die Bair’sche Regierung. – Subalterne haben mich im Anfang illiberal und unsittlich behandelt, aber ich habe mich doch von der Wohlmeynung der Regierung immer überzeugt, und die ersten Männer des Staats, in deren Händen, Gott sey Dank, seit einer Reihe von Jahren mein Schicksal gelegen, haben mir nie etwas Unwürdiges zugemuthet noch mich anders als mit Liberalität und nobler Denkart behandelt. Leichtsinnig abbrechen und abtrünnig werden möchte ich grade in den gegenwärtigen Zeiten am wenigsten, wo jeder Ehren-Mann, denke ich, auch in Verhältnissen zu Regierungen, Charkater zeigen muß.
Nun bitte ich Dich, liebstes Herz, schreibe mir über das Ganze auch Deine Gedanken. Gehe mit Dir selbst darüber zu Rath, höre auf Deine innere Stimme, frage auch besonders unsere gute Mutter, und laß Dir diese Angelegenheit recht empfohlen seyn. Was Du mir dann schreibst wird in der Wagschale meiner Entschließungen einen mächtigen Ausschlag geben. Es versteht sich übrigens, daß ich nicht wünsche, daß vorläufig Andern als den Unsrigen Etwas davon bekannt werde.
Möge der Himmel Dir und allen den Unsern bey diesem ungünstigen Wetter Gesundheit erhalten! Ich umarme Dich in Gedanken und bin wie immer
Dein
treuer Bruder
Fr.
Bey unsrer lieben Mutter entschuldige mit den Umständen, daß ich ihr für das schöne Geschenk zu meinem noch nicht gedankt. - Meine Frau ist einigermaßen in Sorgen, ob die liebe Mutter ein kleines Paketchen erhalten, das etwa den an sie abgegangen.