An
Herrn Hofmedicus Dr.
Schelling
in
fr[ey] Gr[än]ze
Liebster Karl!
Du weißt schon durch unsre gute Mutter, daß ich mit einem glücklich geborenen Söhnlein erfreut worden bin. Ohne ein Gedräng von Arbeiten hätte ich Dir und Deiner lieben Frau gleich selbst davon Nachricht gegeben. Doch wird es auch jetzt nicht zu spät kommen für Dein brüderlich gesinntes Herz. Bis jetzt ist alles ungemein gut und glücklich abgelaufen. Der Kleine ist ein zwar sehr kleines aber in gleichem Verhältnis frisches und lebenskräftiges Kind. Die Muttermilch schlägt ihm wohl an; meine Frau hat alle Schmerzen überwunden und schmeckt nun ganz die Süßigkeiten des Selbststillens, durch die sie sich nach ihrer Versicherung überschwenglich belohnt findet. Theile dieß auch unserer liebsten Mutter mit. Ich weiß nicht, warum ich in Sorgen bin, aber unsre gute Mutter hat auf meinen ersten Brief so flüchtig geantwortet und seitdem geschwiegen, daß ich fürchte, es sey in unsrer Familie irgend etwas Unangenehmes vorgefallen. Hoffentlich werde ich bald über diese Ängstlichkeit beruhigt werden, die vielleicht nur eine Grille ist.
Du mußt es schon zugeben, daß Du auch unter die Pathen meines zweytgebornen Söhnlein gesetzt wirst und daß ihm seine Mutter nebst meinem Namen auch den Deinigen beylegen will. Doch hoffe ich, Du wirst eine Handlung, die ich nicht unterlassen kann, ohne der brüderlichen Zärtlichkeit zu fehlen, nicht abermals als Veranlassung nehmen, Dich gegen uns in Unkosten zu setzen, sonst müßte ich bey ferner zu hoffendem Segen jedes mal Anstand nehmen meinem Herzen zu folgen.
Ich habe an Cotta die Handschrift einer Abhand˖[lung] geschickt, die in der nächsten öffentlichen Sitzung der Akademie vorgelesen werden soll. Kannst Du etwas thun, ihren Druck zu beschleunigen oder in Dechiffrirung meiner Handschrift behülflich zu seyn, so würde ich Dir sehr verbunden seyn.
Meine Frau empfielt sich Dir auf's zärtlichste; dasselbe bitten wir auch bey Deiner lieben Frau für uns beyde. Wenn es möglich ist, lege ich noch einen Brief an Herrn Oncle Prälat bey. Grüße alle die Unsrigen auf's Beste.
Letzten hat unser König unterschrieben, daß die Universität Landshut hieher soll verlegt werden. Es ist doch wenigstens einmal wieder etwas Neues; doch kann viel Gutes und viel Schlechtes daraus entstehen.
Leb' recht wohl, und behalte mich lieb
Deinen
treuen Br˖[uder]
Fr.