Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Seiner Hochwohlgebohren

des Herrn Director Schelling

in

München.

Hochzuverehrender Herr.

Sanft beruhigte Ihr Schreiben meine Besorgniß über die traurige Nachricht einer schweizerischen Zeitung von Ihrer Krankheit: Wohl hatte ich einstimmen und bey mir sprechen müssen: – was ist der Mensch, warum kann er sein Leben – umsonst, und nicht für einen Bessern geben? – Um so mehr fühle ich aber die hohe Verbindlichkeit, welche Ihre Theilnahme für mich hat, und daß Sie sich selbst in kranken Tagen mit mir beschäftigen mögen. Auch will ich nicht länger für mich nach Hülfe schreyen, will leise zu Ihrem Krankenlager treten, und nur die Genesung fromm heranwünschen.

Mir wird mit Gottes Hülfe mein Dornenlager ein Gethsemane. Das stockende Leben sezt Hegel in dialectische Bewegung. Sein grundehrliches Verfahren hat mein ganzes Herz gewonnen, daß es sich nun in seinen Begriff auflösen möchte. Über seine Brücke der Phänomenologie hoffe ich erst mit sicherem Erfolg in Ihre Burg zu dringen. Doch werde ich sie nie freyherrlich mitbewohnen, als den nichtswürdigen Knecht aber will ich mich selber nicht drinn dulden. Das ist es eben, was mich schwerer drückt, als die Acht und Bann in dieser Welt, daß ich auch kein Bürger- und Eigenthumsrecht in der Stadt Gottes habe. Ungebändigt zwar vom Gemeinen, bin ich doch ohne die Weihe des Geistes zum königlichen Priesterthum – ein Erzopfer vor den Engeln und vor den Leuten.

Doch wer keine Himmelsthür in sich zu öffnen hat, der lasse auch das Höllenthor zu. Sie scheinen ohnehin von meinem innern Gehalt nichts weiter wissen zu wollen. Nun so beglücken Sie einen Menschen, nicht weil er es würdig, blos weil er es bedürftig ist – und dann erst, wenn ihn der Dank für die Wohlthat nicht über sich selbst erhebt, sey er uns nichts werth. Aber Sie wollen ja, und können nur nicht, wie Sie wollen. Das Schicksal ist eben mächtiger, als wir beyde. Wohlan! so nehmen Sie mir doch die ärmliche Hoffnung weg, mich in den Gelehrtenstand noch hineinzubetteln – beati possidentes! – Ich will Reitersdienst nehmen. So werde ich in aller Geduld und Hoffnung an meinen Gläubigern zum Betrieger. Ich sollte jezt ehrlicherweise 150 Gulden bezahlen, und habe nichts, und Niemand hat, und Niemand giebt mir. Ich thäte gern mein Blut an Zahlungs statt verkaufen. Ach, während ich mir einen Sitz bey den Heiligen erbete, bin ich auf Erden um meine Ehre ––

Vergeben Sie, daß ich mir widersprechen muß, wenn ich von mir rede. Ich beleidige Ihr Ohr so ungern. Darum, wenn Sie mir noch nicht helfen können, so schreiben Sie mir lieber entscheidend ab. Mein Herz gehört Ihnen ewig dankbar an, aber von meiner Hand sey dieses das Lezte, womit ich Sie betrübe. Meine Augen sind voller Thränen, mein Herz voll Liebe, Leyd und inniger Verehrung. Lassen Sie mich wenigstens von Ihrem Befinden wissen. Meine Mutter ist auch wieder ziemlich hergestellt. Sie empfiehlt sich Ihnen.

Leben Sie wohl. Gedenken Sie in Liebe
Ihres
dankbaren Verehrers

Laskart.