Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Durchlauchtigster Kron-Prinz,
Gnädigster Fürst und Herr!

Eure Königliche Hoheit habe ich zuvörderst unterthänigst um Verzeihung zu bitten wegen des langen Verzugs einer pflichtmäßigen Antwort auf das Gnädigste Schreiben, mit welchem Eure Königliche Hoheit unter’m mich zu beehren geruhten. Die Ursache dieses Verzugs war eine mehrwöchentliche Abwesenheit und Reise in das Baier’sche Gebirg, von der ich erst vor einigen Tagen zurückgekommen bin.

Über die Sache bedurfte es keines Bedenkens. Eurer Königlichen Hoheit dienen zu können, achte ich an sich für Glück, für doppeltes in einer so schönen, in Absicht auf Kunst- und Alterthums-Kunde so hochbedeutenden Sache. Und um so weniger hatte ich Ursache zweifelhaft zu seyn, als die Arbeit des Malers Wagner so geistreich, gründlich und in vielen Puncten gelehrt ist, daß sie zur würdigen Erscheinung fast nur einer Bearbeitung in Bezug auf Styl bedarf.

In einigen von den Puncten, welche mehr auf Vermuthung als auf Gewißheit beruhen, bin ich zwar einer etwas abweichenden Meynung; einige Stellen ließen noch weitere historische und gelehrte Nachweisungen zu; allein bey der gewissenhaften Behandlung, welche man jedem fremden Geisteswerk schuldig ist, würde ich, im Fall Eure Königliche Hoheit dieses genehmigten, mir höchstens erlauben, diese abweichenden Vermuthungen und historischen Zusätze in Anmerkungen beyzufügen. Vielleicht aber erscheint auch dieses unnütz, da die ganze Arbeit ohnedieß gleich Gegenstand der allgemeinsten Aufmerksamkeit und Untersuchung werden wird und durch ihre innre Gediegenheit schon für sich allein vollkommen würdig des großen Gegenstandes ist.

Eure Königliche Hoheit werden geruhen, über diesen Punct von Höchstdero Intention mich noch insbesondere Gnädigst belehren zu lassen.

Wobey ich mir noch erlaube, zu bemerken, daß ich auf keinen Fall eine Anmerkung oder Zusatz beyfügen würde, den ich nicht vorher dem Verfasser mitgetheilt hätte.

Erhoben durch das von Eurer Königlichen Hoheit in mich gesetzte höchstgnädige Zutrauen werde ich keinen Fleiß sparen, um dieser Arbeit, welche Deutschland, ja die Welt, Eurer Königlichen Hoheit, wie so vieles andre Treffliche, verdankt, denjenigen Grad von äußerer Vollendung zu geben, den meine geringen Kräfte ihr zu geben erlauben wollen, und werde auch Druck und Erscheinung des Ganzen so sehr zu beschleunigen suchen, als es die Verhältnisse des Buchhandels und der nothwendige Briefwechsel, der zwischen dem Verfasser und Bearbeiter noch über einige Puncte stattfinden muß, nur immer möglich machen.

Genehmigen Eure Königliche Hoheit Gnädigst die Versicherung der tiefesten Ehrfurcht, mit welcher ich ersterbe.
Eurer Königlichen Hoheit
unterthänigst-gehorsamster

Schelling