München .
Ungemein hat es mich erfreut, höchstverehrter Freund, sichere Kunde von Ihnen endlich durch Sie selbst zu erhalten, nachdem wir seit Ihrer bloß augenblicklichen Erscheinung in München Ihre Spur ganz verloren hatten. Mögen Sie nun doch nach so anstrengenden Arbeiten und Reisen Ihrer Gesundheit an den Heilquellen Badens wenigstens die Zeit gönnen, sich völlig wieder herzustellen! Sie dürften immer ein wenig daran erinnert werden, daß Ihre Wirksamkeit für das einzige Land der Freyheit und der Unabhängigkeit, das uns noch geblieben ist, das Reich des Geistes Ihre erste und wesentlichste Mission ist und daß Sie durch keine Art von Erfolgen im Stande sind, in einer andern Sphäre dem gleichzukommen, was Sie für jene gewesen sind und sind.
Der Plan, die Hauptwerke der berühmtesten Philosophen von Cartesius bis zur französischen Revolution in einer Sammlung herauszugeben, ist nicht nur an sich löblich, sondern auch höchst zeitgemäß. Mit Vergnügen würde ich mich zum Herausgeber anbieten, wenn sich meine Thätigkeit dabey auf Rath (hinsichtlich der Auswahl und Folgen) und auf eine am Ende der ganzen Unternehmung zu gebende Einleitung – gleichsam die Philosophie dieses Theils der philosophischen Geschichte enthaltend – beschränkte. Denn übrigens darf ich bey der Masse von Stoff, die sich mir in so vielen Jahren angehäuft, und welche zu gewältigen bey den vielen anderweitigen Eingriffen in meine Zeit ich alle Kräfte aufbieten muß, keine andre Verbindlichkeit übernehmen.
Noch ist mir nicht klar, ob Sie durchaus die Originale, oder bey lateinisch, englisch oder französisch geschriebnen Werken Übersetzungen geben wollen. Für Jordano Bruno müßten Sie alle Ihnen zu Gebot stehenden Mittel aufbieten, um auch die seltensten seiner Schriften aufzutreiben. Von Leibnitz wo möglich noch Inedita aus Hannover. Auf jeden Fall müssen wir das Nähere der Einrichtung pp noch mündlich besprechen.
Ich nehme mir die Freyheit, Ihnen noch von einem andern Plan zu sprechen, den ich Ihnen vorzulegen übernommen habe. Ein Dr. Reich, von deutschen Eltern in England geboren, beyder Sprachen, so viel man aus mündlicher Unterhaltung schließen kann, wohl mächtig, sprach mich um guten Rath an wegen irgend einer Unternehmung, durch die er sich hier halten könnte. Mir stellte sich bey dieser Gelegenheit wieder ein schon längere Zeit gehegter Wunsch dar. Sie erinnern sich der ehmaligen Kleuker’schen Bearbeitung der Asiatic Researches; diese ist längst unterbrochen; indeß gehen sowohl letztere als die Transactions of the Royal asiatic Society beständig und regelmäßig fort. Letztere insbesondre enthalten die höchst interessanten Abhandlungen Colebrooke’s über die philosophischen Systeme Indiens, außerdem viele andre Abhandlungen über Gegenstände der indischen und asiatischen Religionen, Systeme, Mythologien u.s.w. Diese Sammlungen, die nur auf größern Bibliotheken angeschafft werden sind ebendarum einer Menge Wißbegieriger unzugänglich. Eine fortgehende Übersetzung aller derjenigen Abhandlungen, welche in jenen Sammlungen für die Geschichte der Philosophie, der Religionen und der Mythologie wichtig sind, würde mit dem größten Danke allerwärts aufgenommen werden. Hinzufügen könnte man noch, was in den zahlreichen der asiatischen Litteratur in England und Frankreich jetzt gewidmeten Journalen in denselben Beziehungen wichtig ist. Zu einer Vorrede, die das ganze Unternehmen einleitet, zu einiger Oberaufsicht dabey würde ich mich gern verstehen, und mit oben erwähntem Herrn Reich, der wie er mir sagt, auch schon angefangen hat für das Ausland zu übersetzen, könnte man ja wohl einen Versuch machen.
Im Vertrauen theile ich mit, daß es mit dem Plan zur Literaturzeitung so gegangen ist wie vorauszusehn war. Die Schwierigkeiten zeigten sich, als man zu der wirklichen Ausführung schreiten wollte, in solcher Art, daß selbst die Hauptgönner und Beförderer desselben Bedenken erregten, die wohl den ganzen Plan aufgeben machen. Die Sache wird von selbst wieder in die Richtung kommen, in der sich gleich anfangs allein ein Erfolg denken ließ.
Unsre innigsten Wünsche für Ihre vollkommne Genesung, die herzlichsten Empfehlungen an die heitre, geistvolle und liebenswürdige Frau, der es wohl gelingen wird, Sie uns wieder ganz gesund zurückzubringen – verstehen sich von selbst. Mit treuer Anhänglichkeit und Verehrung
Der Ihrige
Schelling.