Sr. Wohlgebohrn
Herrn Professor Dr.
Eschenmayer
in
fr˖[ey] Ulm
München den .
Es ist mir sehr angenehm, daß Sie eingewilligt haben, Ihren Brief drucken zu lassen und unsern Streit, wenn ich ihn so nennen soll, aus einem Privatstreit in einen öffentlichen zu verwandeln. Ich werde mir meinerseits alle Mühe geben, daß er für die Wissenschaft ersprießlich wird. Liegt unsrer Differenz ein Mißverständniß zu Grunde, so muß es ja doch wohl auf diesem Weg an den Tag kommen. Denn ich will auch keineswegs mit Ihrem Schreiben und meiner Antwort, (bey welcher ich mit Ihrer Erlaubniß auch von einigen deutlichern und sehr interessanten Erklärungen Ihres letzten Briefs an mich Gebrauch machen will) die ganze Sache beendigt ansehen. Dieselbe Zeitschrift steht Ihnen jederzeit zur Wiederaufnahme der Sache und zur neuen Bestreitung offen. Ich glaube, mir um die Wissenschaft und das sie liebende Publikum nicht leicht ein größeres Verdienst erwerben zu können, als indem ich einen Mann Ihres Geistes zu öffentlichen Aeußerungen bewege oder veranlasse.
Da die entworfene Zeitschrift nicht so sehr der reinen und strengen Wissenschaft, als ihrem Bezug und Verhältniß zum Leben gewidmet seyn soll, so wünsche ich sehr, daß Sie auch in andren Fällen, da Sie etwas zum Besten des Ganzen mitzutheilen hätten, es der Welt nicht vorenthalten und meiner Zeitschrift einverleiben mögen.
Die von Ihnen gewünschten Veränderungen sind bereits getroffen und es befindet sich Ihre Handschrift schon unter der Presse.
Wegen des Schlusses sind mir erst bey der letzten Redaktion einige Bedenklichkeiten aufgestoßen, die ich Ihnen kaum auseinanderzusetzen brauche. Die Beziehung liegt zu nahe, und wird bey dem gegenwärtigen Zustand der Dinge nicht von wohl- und gut- sondern auch von bös- und übelwollenden gemacht werden. Unsre innerste Denkart kann hierüber nicht verschieden seyn; nur bin ich der Meynung, daß jede unmittelbare Gegenwirkung, selbst nach dem Willen der Vorsehung, eitel und fruchtlos ist. Unser eigentlicher Beruf liegt in der Ausbildung der Wissenschaft in Religion und der Religion zu kräftiger, lebendiger Erkenntniß, die nur durch Wissenschaft möglich so wie nach meiner Überzeugung die einzige Hoffnung einer kommenden Regeneration ist. – Ich wünsche daher von Ihnen auktorisirt zu werden, mit den zwey letzten Seiten vorzunehmen, was ich nach meinen und den allgemeinen Verhältnissen für durchaus nöthig halte. Es versteht sich, daß ich nichts zusetzen will; die einzige Erlaubniß, die ich wünsche, ist einiges streichen und die Lacunen etwa durch Striche andeuten zu dürfen. Freylich werde ich dadurch auch die Gelegenheit verlieren, über die Verwandtschaft zwischen der politischen Tendenz und dem (vermeynten) Gange der Philosophie in Deutschland, die schon mehrere zu sehen glaubten, mich zu erklären; was ich inzwischen auf keinen Fall leicht thun könnte. Gerade das Opponirteste erscheint freylich oft zugleich in einer gewissen Ähnlichkeit; was aber allerdings beyden Sachen gemein ist, ist dieß, daß der größte Theil von der einen so wenig als von der andern zu begreifen scheint, wo sie eigentlich hinaus will. –
Ich bitte Sie um eine baldige Antwort, damit der Druck nicht aufgehalten werde. Verlassen Sie sich dabey auf die größte Schonung Ihrer Worte und Gedanken; nur das Bezeichnendste wünsche ich hinweg, weil es ohne Vortheil zu bringen, der ganzen Unternehmung schaden kann und wir wie die Welt ist nur noch froh seyn müssen die Freyheit zu solchen literarischen Unternehmungen behalten zu haben. Ich bitte, mich Herrn Präs˖[identen] von Wangenheim bestens zu empfehlen, dem ich nächstens schreiben werde.
Mit bekannter Hochachtung
Ihr
erg[e]b[en]st[e]r
Schelling.