Liebste Mutter!
Ich hoffe, dießmal soll P˖[auline] noch Zeit finden, Ihnen zu schreiben, obwohl sie eben mit der letzten Einrichtung Ihrer Zimmer viel zu thun hat. Auf alle Fälle lege ich zu dem altgewordnen Brief das neue Blatt, um Ihnen zu sagen, daß P˖[auline] sich recht leidlich befindet, ja daß alle Anzeigen hoffen lassen, das Schlimmste sey jetzt überstanden.
Wegen des Schreibers danke ich Ihnen bestens, liebe Mutter; seine Handschrift gefällt mir; nur fürchte ich er wird sich zu gewißen Bedientendiensten nicht ganz verstehen.
Haben Sie indeß die Güte, nachdem Sie einmal der Sache Sich angenommen, folgende Bedingungen an ihn gelangen zu lassen.
1. Er erhält des Tags 1 fl. rhein., muß aber für Kost und Logis sorgen. Sächsisch ist dieß ohngefähr 200 rthr. gut Geld jährlich
2. Er muß des Morgens meine Kleider und Stiefel reinigen; läßt er letztere auf seine Kosten durch jemand anders putzen so habe ich nichts dagegen. Außerdem hat er nur je nachdem es nöthig ist Bestellungen und Gänge zu machen und kann sich übrigens eine Gute Behandlung versichert halten.
3. Er muß, was sein Hauptgeschäft ist, alles was ich in meinem Amt oder für mich zu schreiben habe, schön und sorgfältig abschreiben; die Schreibmaterialien erhält er von mir. Er muß in seinem eignen Logis abschreiben.
4. Für die Herreise kann ich ihm, wenn er’s verlangt, Vorschuß machen, der ihm jedoch nachher allmälig an seinem Gehalt abgezogen wird, das er monat- oder wochenweise beziehen kann.
5. Zwischen beyden Theilen wird eine 1/4 jährige Aufkündungsfrist bedungen; doch engagire ich mich, ihn wenn er gut thut, wenigstens 1 Jahr zu behalten.
6. Wenn er aus meinen Diensten tritt und nach Sachsen zurück- oder sonst wohin will, so hat er für die ReiseKosten selbst zu sorgen, und nichts weiter als seine monatliche Gage bis zum Zeitpunkt seines Austritts zu fodern.
7. Er muß je eher, je lieber eintreten. Ich kann ihn schon mit dem annehmen. Er kann die Stelle, wenn er sich demnach aufführt als eine bleibende betrachten.
Ich habe in diesem Augenblick gar viel zu thun. Verzeih’n Sie daher das flüchtige Schreiben. Ich suchte heute meine gute Mutter zu trösten, deren Schmerz ihrem Verlust angemessen ist. Sie hat an die 40 Jahre mit dem theuren Vater im größten Frieden gelebt, und die Scenen der Krankheit haben doppelt ihr Gemüth erschüttert.
Sie könnten mir, liebste Mutter, einen recht großen Gefallen thun. Ich habe immer viel gehört von dem Manuscript der Lebensbeschreibung Diderots, das in ihren Händen ist. Die Gründe, die Sie sonst verhinderten, es dem Druck zu übergeben, sind wohl jetzt hinweggefallen. Es wäre ein herrliches Stück für mein Journal, und ich wollte es Ihnen besser als jeder Buchhändler honoriren. Überlegen Sie sich diesen Vorschlag.
In größter Eile
Ihr
geh˖[orsamster] S˖[ohn]
S.