Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Den Dank für Ihren freundschaftlichen Brief und das beigelegte Werk bin ich Ihnen so lange schuldig geblieben, daß ich nicht länger anstehen will ihn abzutragen, so unmöglich mir auch jetzt wird, Ihnen etwas Gefühltes und Gedachtes, wie sich wohl gebührte, über ein so vielfach interessantes und wichtiges Buch zu schreiben. Ihre Nachsicht in dieser Beziehung kann ich vielleicht um so eher ansprechen, als die Materie von der Art ist, daß man nicht darauf eingehen kann, ohne sofort ein Buch darüber zu schreiben, und daß nach der mir einmal anklebenden Beschränktheit ein streng wissenschaftlicher Zusammenhang für mich der faßlichste ist, dagegen ganz schwer, ja unmöglich, über ein Werk von der räsonnirenden Gattung gleich zur Total-Ansicht zu gelangen. Gewiß haben Sie durch dieses neue Werk viele Hunderte erbaut; mir hat es den Wunsch erregt, daß es uns möglich wäre, einmal uns wieder mündlich über so viele große Puncte, die Sie zur Sprache gebracht, mit einander zu erklären, ein Wunsch, dessen Erfüllung ich gerade jetzt nach der Verbindung, in welche Ihr Vaterland mit Bayern gekommen ist, am wenigsten für unmöglich halte, abgerechnet, daß ich für den nächsten eine Rhein-Reise fest beschlossen habe und dabei gewiß Aschaffenburg, wenn Sie noch dort befindlich sind, nicht vorbeigehen werde. Sollten Sie hieher jetzt oder künftig einmal kommen, oder sonst irgend etwas von hier aus wünschen oder hier betrieben wollen: so hoffe ich, daß Sie auf meinen Eifer und auf die herzliche Freundschaft rechnen, von der ich Ihnen so gern Proben geben möchte.

Indes leben Sie wohl mit allen den Ihrigen, die Gott segnen möge. Mein kleiner bald ein Jahr alter Sohn gedeiht vortrefflich. Ich grüße Sie und bin mit aufrichtiger Freundschaft immer
der Ihrige

Schelling.