Die Meynung, daß anliegende Abhandlung , als zum Theil Bezug habend auf ehmals gemeinschaftliche Studien für Sie einiges, wenn auch geringes, Interesse haben könnte, veranlaßt mich, Ihnen dieselbe, mit der Bitte um geneigte Aufnahme, zuzusenden. – Unter den nachgelassenen Papieren meines sel˖[igen] Vaters ist mir erst kürzlich der Brief in extenso zu Gesicht gekommen, den Sie ihm in Bezug auf unser Verhältniß wegen des, mir von Ihnen geliehenen und nachher verloren gegangenen, Büchleins von Cuffeler, geschrieben hatten. Ich konnte auch jetzt noch des Wunsches mich nicht enthalten, daß es Ihnen damals gefallen haben möchte, wegen dieser Sache wenigstens nicht auf diese Art meinen guten alten Vater anzugehen, welchen zu schonen Achtung und Dankbarkeit Sie vielleicht bewegen konnten. Mehr jedoch war ich verwundert über die Stelle Ihres Briefes: »Nie hatte ich Herrn Prof˖[essor] Sch˖[elling] die Wahl frey gegeben, mir entweder das Buch oder ein Exempl˖[ar] von Spinoza dafür als Aequivalent zu geben«. Bey dieser Stelle mußten Sie wohl Ihre frühere Äußerung in einem Billet vom vergessen haben, das ich Ihnen im Original zu schicken erbötig bin. »Verzeihen Sie, heißt es in demselben, daß ich zugleich frage, ob es Ihnen nicht indeß gelungen sey, dem Büchelgen von Cuffeler auf die Spur zu kommen? Sollte es nicht seyn, so bin ich so frey, Ihr früheres Anerbieten anzunehmen und zu sagen was ich dafür gegeben habe. Ich habe es um 1 Ex˖[emplar] m[eine]r Ausg˖[abe] des Spinoza eingetauscht, welches, soviel ich weiß 12 fl. kostet. Lieber aber (also nur lieber) sollte mir auf jeden Fall das Büchelgen selbst seyn.« Da ich aber das Büchlein nicht schaffen konnte, so blieb mir nichts anders übrig, als Ihnen 1 Ex˖[emplar] des Spinoza dafür zu schicken und noch begreife ich nicht, wie ich darinn sollte gefehlt oder was ich anderes hätte thun sollen. War es aber mein Billet, und vielleicht besonders das aus dem Kaufmann von Venedig genommene Gleichniß, das Sie beleidigte: so konnte Ihnen der Ton desselben wohl nur auffallen, in wiefern Sie vielleicht für die Indelicatesse desjenigen, auf welches es die Antwort war, kein Gefühl hatten; wegen des letzteren kann ich Sie versichern, daß ich dieser Wendung mich höchst zufällig bediente, da ich mich wohl erinnere, wie ich grade in jenem Augenblick dieses Lustspiel einmal wieder gelesen hatte. Mögen Sie es indeß ansehen, wie Sie wollen, so bitte ich Sie, es jetzt zu vergessen und mir darüber keinen Groll nachzutragen, wie ich die in Ihrem Brief über mich ausgegoßnen Bitterkeiten augenblicklich wieder vergessen habe, die mir nach so langer Zeit wunderlich genug vorkomen. – – Das Angenehmste ist mir, Ihnen melden zu können, daß die Prophezeyung meines sel˖[igen] Vaters, die ich aus seiner abschriftlich beygelegten Antwort ersehen: das Büchlein werde wie die Schiffe des Kaufmanns sich wiederfinden«, wirklich in Erfüllung gegangen ist. Schon seit ist es (vielleicht gar dasselbe Exemplar, da ich mich bestimmt erinnere, es mit nach München genommen und seitdem aus den Augen verloren zu haben) durch den Antiquarius Mozler in Freysingen wieder in meinen Händen. Ich behielt das Büchlein für den Augenblick in der Absicht, davon für einen Abdruck von Opusculis ad Systema Pantheisticum pertinentibus Gebrauch zu machen, worunter ich auch die Hauptschriften des Jordano Bruno, die ich auf der hiesigen Bibliothek erhalten konnte, aufnehmen und durch die ich gewissermaßen Ihre Ausg˖[abe] des Spinoza ergänzen wollte. Ich war gewiß, daß Sie zu diesem Zweck das Büchlein gern noch eine Zeitlang überlassen würden, und ich glaubte, dieß vorauszusetzen mich um so mehr berechtigt, als ich Sie am Ende mit dem Original und einem schönen neu gedruckten Ex˖[emplar] zugleich überraschen konnte. Der Zustand des Buchhandels machte, daß die Ausführung des Plans von einem Jahr zum andern verschoben werden mußte, bis ich ihn endlich (seit ) ganz aufgegeben hatte. Seitdem waren wir so weit auseinander gekommen, daß ich vergebens immer auf irgend eine Gelegenheit wartete, Ihnen das Büchlein selbst oder durch irgend einen Vertrauten zurückzustellen; den Grund, warum ich dieß wünschen mußte, will ich Ihnen aufrichtig mittheilen. Nach Ihren mir bekannten Gesinnungen gegen mich mußte ich fürchten, nach Rückgabe des Buchs dennoch von Ihnen beschuldigt zu werden, daß ich es nie verloren, sondern nur Ihnen vorzuenthalten die Absicht gehabt habe. Daß ich in dieser Furcht nicht zu weit gegangen, hat mir seitdem der an meinen Vater geschriebene Brief nur zu sehr bestätiget. Daß dieß der einzige Grund war, warum ich bis jetzt auf Gelegenheit wartete, Ihnen das Buch selbst oder doch durch einen Bevollmächtigten zu übergeben, können erfoderlichen Falls verschiedne Personen bezeugen, mit denen ich darüber zu Rath gegangen war. – Um nun diese Sache zu unsrer beyderseitigen völligen Zufriedenheit abzuthun, schlage ich Ihnen vor, irgend einen gemeinschaftlichen Bekannten, etwa Herrn Ober-Studien-Rath Niethammer oder Herrn H˖[of]Rath von Breyer zu bestimmen, dem ich das Büchlein zurückgeben könne, und der mir zugleich eine schriftliche Versicherung theils über den Empfang des Büchleins theils darüber ausstelle, daß ich ihm die Quittung des Antiquarius Mozler vorgezeigt, aus welcher erhelle, daß ich dies Büchlein i˖[m] J˖[ahre] von letzterem um zwey Gulden erkauft habe, und daß gegen die Richtigkeit und Ächtheit dieser Quittung nichts einzuwenden gewesen. Nach dem in dem Brief an meinen sel˖[igen] Vater geäußerten ebenso beleidigenden als meiner Persönlichkeit unangemessenen Verdacht können Sie mir diese Vorsicht auch jetzt noch nicht übel deuten. Leicht möglich, daß ich früher oder später in Bezug auf dieß Büchlein gegen Sie in ein Verhältniß, wie einst Michaelis gegen Reiske geriethe, ohne daß ich selbst oder ein Schlözer Mittel der Vertheidigung hätte.
Damit hoffe ich aber doch Alles zwischen uns auf rechtliche Weise abgethan. Ich ersuche Sie nochmals, wenn ich in dieser Sache gegen Sie wirklich gefehlt haben sollte, es nun in Ihrem Gedächtniß zu verwische, wie ich Sie versichere, daß auf meiner Seite das Vorhergegangne theils lange vergessen ist, theils nach dieser letzten Auseinandersetzung sogleich völlig vergessen seyn wird.
Als Beweis der Gesinnung, in das Verhältniß zurückzutreten, wie es unter wissenschaftlichen Männern eigentlich immer bestehen sollte, würde ich es ansehen, wenn Sie in Bezug auf die wichtigen Gegenstände der anliegenden Abhandlung, deren Erscheinung ich gern als Veranlassung benutzen wollte, Ihnen über die zwischen uns schwebende Angelegenheit zu schreiben, mich Ihrer, bestätigenden oder widerlegenden, auf jeden Fall belehrenden, Bemerkungen würdigen sollten. Je seltner in unsern Tagen Männer sind, die altclassische Bildung mit morgenländischer Gelehrsamkeit verbinden, desto mehr habe ich Ursache, mich an die Wenigen zu wenden, von denen ich lehrreiche und gründliche Beurtheilung hoffen kann.
Ich bin mit vollkommner Hochachtung
Ew. Hochw˖[ürdigen] und Hochwohlgeb˖[ohrn]
ergebenster
Schelling
München den .